Was tun, wenn sich alles verändert?

Eine der schönsten Veränderungen zeigen Schmetterlinge auf.
Veränderungen fangen bei der Sprache an und hören beim Klima nicht auf. Die Pandemie hat uns unsere Verwundbarkeit gezeigt, ebenso wie die Kriege. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung. Ist das Grund zur Freude oder sollten wir uns Sorgen machen?

Beunruhigend sind natürlich nur die Veränderungen, die wir nicht wollen, die das Selbstverständliche in Frage stellen. KI kann sehr hilfreich sein (auch wenn ich beim Schreiben dieses Textes darauf verzichtet habe ...) und auch über den medizinischen Fortschritt freuen wir uns.

Veränderungen, die wir nicht wollen, empfinden wir als bedrohlich. Es ist ein Verlust an Normalität, schreibt Martin Benz. Was bisher als sicher galt, gerät plötzlich ins Wanken. «Eine Folge», so Martin Benz, «ist die wachsende Sehnsucht vieler Menschen nach der alten Normalität. Und viele, die eine Rückkehr zur alten Normalität versprechen, haben Zulauf.» Der Journalist und Buchautor Markus Spieker hat beobachtet, dass vor allem Führungskräfte in Deutschland noch immer Rezepte aus den 1980er und 1990er Jahren hochhalten. Rezepte, die damals funktioniert haben, sollten doch auch heute noch funktionieren! 

Veränderungen strengen uns an

Veränderung ist mühsam. Das liegt auch daran, dass unser Gehirn die Energie scheut, die Veränderungen erfordern, sagt der Neurowissenschaftler Gerhard Roth. Es ist eine grosse Anstrengung für unser Gehirn, neue Strukturen wachsen zu lassen. Und obwohl unser Gehirn prinzipiell in der Lage ist, Neues zu lernen, neue Nervenverbindungen zu knüpfen und neue Erfahrungen in unserem Körper «abzuspeichern», ist es ein mühsamer Prozess.

Was also tun? Sollen wir versuchen, möglichst jede Veränderung mitzumachen, um uns in einer sich verändernden Welt nicht mehr fremd zu fühlen? Erlöst uns Anpassung von der Mühe?

Sicher nicht. Der ungebrochene Fortschrittsglaube früherer Jahrzehnte ist eher einer Ernüchterung gewichen. Das Neue bringt nicht unbedingt das Gute. Vielmehr fürchten wir uns vor dem, was die Zukunft bringt. Gerade die Kirche stand oft auf der Bremse, bekämpfte und blockierte Veränderungen: von den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen bis zur Kirchenmusik. Fast jedes Musikinstrument wurde von der Kirche zuerst abgelehnt.

Wie wir gut auf Veränderungen reagieren können

Um gut auf Veränderungen reagieren zu können, sind mir die folgenden Punkte besonders wichtig:

1. Veränderungen wahrnehmen

Wir sollten genau hinsehen. Viel zu oft schauen wir entweder weg – «Das wird schon wieder» –, oder wir kämpfen hochemotional gegen etwas Neues, ohne die tieferen Ursachen und Bewegungen ausreichend verstanden zu haben. Hinsehen bedeutet, wahrzunehmen, dass Menschen heute anders aufwachsen, kommunizieren, arbeiten, andere Werte vertreten und andere Erwartungen an die Zukunft haben als noch vor 20 bis 30 Jahren. Hinsehen heisst zu erkennen, dass sich unser Klima verändert. Dass Europa nicht mehr das Zentrum der Welt ist. Dass wir in einem nachchristlichen Zeitalter leben. Es bedeutet anzuerkennen, dass wir die Zeit nicht zurückdrehen können.

Als Folge davon verstehen wir die Veränderungen besser und können das Geschehen besser einordnen.

2. Die eigenen Sorgen und Hoffnungen wahrnehmen

Die Veränderungen um uns herum gehen nicht spurlos an uns vorbei. Vieles macht uns Angst und Sorgen. Wir trauern dem nach, was vorbei ist, vielleicht manchmal mit einem sehr verklärten Blick. Aber immerhin ist die Vergangenheit bekannt, und wir haben sie überlebt. Die Zukunft hingegen ist unberechenbar. Meine Ängste und Hoffnungen zu erkennen, hilft mir, besser zu verstehen, warum ich auf Veränderungen in einer bestimmten Weise reagiere.

Ruth Valerio, anglikanische Theologin und Leiterin von Tear Fund Grossbritannien, ist überzeugt, dass es wichtig ist, darüber zu trauern, dass sich unser Klima verändert und viele Gefahren damit verbunden sind. Der Trauerprozess ermöglicht es mir, meine Sorgen über die Zukunft anzusprechen. Das macht mich frei, klarer zu sehen und mich für Lösungen einzusetzen. Wenn ich verstehe, wovor ich Angst habe, verstecke ich meine Ängste nicht unbewusst hinter Sachthemen. Wenn ich Angst habe, dass sich meine Kirche verändert, weil ich dann mein Zuhause verliere, brauche ich keine theologischen Argumente, um mich dagegen zu wehren.

3. Sich konstruktiv engagieren

Wenn ich mir Veränderungen genau angeschaut und mich über Entwicklungen informiert habe, wenn ich wahrgenommen habe, was mir Sorgen und Ängste bereitet, dann kann ich (gemeinsam mit anderen) überlegen, wie ich mich im Wandel am besten verhalten kann. Welchen konstruktiven Beitrag zum Wohl dieser Welt kann ich als Nachfolger Christi leisten?

Das kann eine kritische, eine mahnende, eine ermutigende Stimme sein. Aber immer eine Stimme, die nicht aus Angst spricht, sondern im Vertrauen auf Gott das Beste für den Ort will, an dem ich lebe. Gott sagte seinem Volk, das gerade nach Babylonien deportiert worden war, durch den Propheten Jeremia, es solle das Beste für die Stadt suchen, denn wenn es der Stadt gut gehe, gehe es auch den Exilierten gut. Inmitten schwierigster Veränderungen ermutigte Gott sein Volk zu konstruktivem Handeln und sprach durch Jeremia weiter: «Ich habe Frieden für euch im Sinn und kein Unheil. Ich werde euch Zukunft schenken und Hoffnung geben.»

Die Hoffnung, dass Zukunft nicht ohne Gott geschieht, macht mir Mut, mich immer wieder dem Wandel zu stellen. Ich kann darauf vertrauen, dass Gott auch in einer fremd gewordenen Umgebung blühendes Leben entstehen lassen kann.

Dieser Artikel erschien zuerst beim Forum für integriertes Christsein

Zum Thema:
Zeitschrift AUFATMEN: Bereit für Veränderung?
Mut zu Micro-Steps: Kleine Schritte – grosse Veränderungen
Mit Hoffnungskompetenz: Veränderungen durch Megatrends

Autor: Marcus Weiand
Quelle: Forum integriertes Christsein

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