«Du bist meine Tochter, ich habe dich erwählt!»
«Wer wird sich um meinen Sohn kümmern? Wer wird ihn abends zudecken?» Diese Fragen gingen Sahar durch den Kopf, als ihr Mann sie aus dem Haus warf. Im Taxi fuhr sie zum Haus ihrer Eltern. Ihr Mann hatte herausgefunden, dass sie Christ geworden war – ein Tabu im Iran. «Ich fragte: 'Gott, warum lässt du diese Dinge zu? Warum lässt du diesen Schmerz in meinem Leben zu?'»
Auf der Suche
Viele Jahre lang hatte sie versucht, als «gute Muslimin» zu leben. Zwar war ihre eigene Familie nicht sehr religiös, doch sie selbst versuchte, die Leere in sich zu füllen. «Ich hielt freiwillig den Ramadan ein, betete oft und zog mich sehr konservativ an», erinnert sich Sahar gegenüber Open Doors. «Ich gab mein Bestes, aber ich erhielt keine Antwort darauf.»
Über 20 Jahre lang suchte sie nach der Wahrheit. Bis die Schwägerin ihre Verzweiflung bemerkte und ihr eine Bibel schenkte. «Sie wusste, dass ich völlig durcheinander war. Und sie sagte mir: 'Sahar, Jesus Christus kann dein Leben rundum verändern.' Das wollte ich erleben…» In der Bibel fand sie nach und nach die Antworten auf ihre Fragen und stellte irgendwann fest: «Das ist wirklich das lebendige Wort Gottes!»
Von Gott erwählt
Doch die Entscheidung, Jesus nachzufolgen, war nicht einfach. Sie hatte mitbekommen, wie andere Iranerinnen hinterher verfolgt wurden. «Ich wusste, wenn mein Mann merkte, dass ich Christ geworden war, würde er sehr wütend werden. Es bestand die Gefahr einer Scheidung und dann würden mir meine Kinder weggenommen, weil ich eine Ex-Muslimin war. Ich dürfte meine Kinder nie wieder sehen, weil mir als Konvertitin alle meine Rechte genommen würden.» Doch dann hörte sie etwas wie eine Stimme in ihrem Herzen. «Ich hörte ihn (den Heiligen Geist) sagen: 'Du bist meine Tochter, ich habe dich erwählt. Du wirst unter Frauen und sogar ganzen Ländern dienen.'» Und plötzlich war die Entscheidung für Jesus gefallen. «Ich war bereit, Gott alles zu geben und mich ihm zu widmen.»
Mutig erzählte sie ihrem Mann von ihrem neuen Glauben – doch er warf sie aus dem Haus. «Mein Stolz war gebrochen. Ich hatte das Gefühl, dass mir alles weggenommen wird – und ich hatte nichts Falsches gemacht, ich war keine Kriminelle. Ich wusste, dass Gott die Kontrolle hatte, aber ich konnte meine Gefühle nicht kontrollieren…»
Inhaftiert
Im Hause ihrer Eltern, die sie trotz allem nicht verstiessen, begann sie, für ihren Ehemann zu beten. Und Gott erhörte sie. Nach einiger Zeit bat ihr Mann sie, zurückzukommen und die beiden begannen, ihre Beziehung neu aufzubauen. Doch nur kurze Zeit später wurde sie festgenommen und ins gefürchtete Evin-Gefängnis gebracht. Insgesamt zweimal stand sie vor Gericht. Beim ersten Mal erhielt sie eine Gefängnisstrafe von 91 Tagen, aber das Berufungsgericht verhängte eine Strafe von fünf Jahren. «Das Urteil lautete 'Bedrohung für die nationale Sicherheit'», ein Urteil, das oft gegen Konvertiten erteilt wird.
Neue Berufung
Viele iranische Männer hätten auf so etwas mit Ablehnung reagiert. Doch Sahars Ehemann war um sie besorgt. «Als ich (nach den 91 Tagen) entlassen wurde, hatte sich seine Meinung über meinen Glauben geändert. Er akzeptierte mich so, wie ich bin.» Aus Angst vor der drohenden fünfjährigen Haftstrafe floh die ganze Familie in die Türkei. Dort setzt sich Sahar für christliche Frauen ein, die unter Verfolgung leiden. «Meine Gebrochenheit, die Angst und das Trauma, das ich durchgemacht habe, hat mir mehr Verständnis für ihre Situation gegeben», berichtet sie. «Ich kann ihnen von meiner Erfahrung berichten, sie lehren, an ihrer Seite stehen, für sie beten und sie anleiten.»
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