Das Buch, das es nicht geben dürfte
«Hier schreiben Personen, die gelernt haben, ihre homosexuellen Impulse, ob vergangen oder fortbestehend, als Aspekt ihres Lebens anzunehmen, ohne daraus einen Lebensstil oder eine homosexuelle oder queere Identität abzuleiten.»
Schon auf der ersten Seite des Vorworts für «Weil ich es will», jüngst erschienen im Fontis-Verlag, bringt Herausgeber Markus Hoffmann auf den Punkt, was dieses Buch so unfassbar macht: In ihm beschreiben Christen, wie und warum sie sich dazu entschieden haben, ihre homosexuellen Gefühle nicht auszuleben.
Man könnte es wütend in die Ecke werfen, aber…
Wer die Inklusion von LGBTQ-Personen in die Kirche, homosexuelle Trauungen und queere Gottesdienste begrüsst, könnte das Buch nun wütend in die Ecke werfen. Erst recht, weil es von einem Mann herausgegeben wurde, den die Berliner Tageszeitung «taz» einen «Homo-Heiler» nannte. Hoffmann leitet das «Institut für dialogische und identitätsstiftende Seelsorge und Beratung», bekannter unter seinem früheren Titel «Wüstenstrom». Nach eigenen Angaben richtet es sich an Menschen, die «mit Konflikten in ihrer Geschlechtlichkeit oder Sexualität ringen».
Dass es sich auch an Menschen richtet, die in diesem Bereich «Veränderungen» anstreben, darf dort nicht stehen. Auch wenn zumindest Hoffmanns Buch klarmacht, dass es vielen Betroffenen, die sich an sein Institut wenden, genau darum geht. Denn eine solche Veränderung ist in Deutschland nicht nur gesellschaftlich umstritten.
Seit 2020 gibt es das «Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen», das vor allem Minderjährige vor Angeboten schützen soll, die auf eine «Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität» zielen. Werbung dafür zu machen, ist illegal.
Was tun also mit einem Buch, das aus den Leben jener erzählt, die genau diese Veränderung anstreben oder erlebt haben? Und die von sich sagen, ihre Stimmen würden vom sogenannten Mainstream nicht gehört?
«Die Gesellschaft versteht meinen Weg nicht»
Da ist etwa Anna, die ihre lesbischen Gefühle auf problematische Verhältnisse innerhalb ihrer Herkunftsfamilie zurückführt. Die ihre bisherigen Beziehungen zu Frauen als zwanghaft und getrieben von Selbstzweifeln empfindet. Und sich deshalb für ein Leben ohne homosexuelle Beziehungen entschieden hat. «Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts versteht meinen Weg nicht», schreibt sie. Und es klingt wie ein Hilferuf. Ein Ruf nach Anerkennung, so wie viele homosexuelle und queere Menschen nach Anerkennung rufen.
Wer «Weil ich es will» wirklich liest, kommt nicht umhin, sich die Frage zu stellen, ob das Anliegen der Autoren berechtigt sein könnte, genauso gehört zu werden wie jene, die ihre homosexuelle Identität feiern. Zumal in einer Gesellschaft, die Diversität als Ideal ausruft.
Noch etwas anderes spricht für dieses Buch: Es ruft Gemeinden zur Inklusion auf. Nur eben nicht, indem sie LGBTQ-Gottesdienste feiern.
Ruf nach einer inklusiven Gemeinde
So berichtet etwa Jasmin davon, wie ihr christliches Umfeld mit ihr umging, als sie ihre eigene Homosexualität hinterfragte: «Stets half mir, dass mein Verständnis von Sexualität als die Gabe Gottes für den Bund von Mann und Frau bestätigt wurde, mich aber niemand drängte, die homosexuelle Beziehung auf der Stelle zu beenden. Man nahm mich, wie ich war – auf der Suche nach meinem Weg, als Christ mit der Situation umzugehen.»
Hoffmann selbst wendet sich im Buch gegen «versuchte Umpolungen durch Gebet» oder anderweitigen Druck, den Gemeinden auf queere Menschen ausüben. Und er propagiert die Gemeinde als Ort, an dem auch Menschen ein Zuhause finden, die mit Identitätsfragen und ihrer Sexualität ringen.
Mehr Vielfalt, bitte!
So ist dieses Buch nicht nur eine Herausforderung für jene, die Homosexualität als gottgewollt sehen. Sondern eben auch für die, die Queerness als unvereinbar mit dem christlichen Glauben betrachten. Tatsächlich erweitern die Lebensberichte den Horizont des Lesers um eine bisher selten gehörte Nuance.
Es wird nicht in Hoffmanns Sinne gewesen sein, aber noch erhellender wäre es gewesen, sie neben die Berichte jener zu stellen, die sich dazu entschieden haben, ihre homosexuelle Identität auszuleben und dies ebenso biblisch begründen. So wäre man nicht nur dem Vorwurf aus dem Weg gegangen, junge Menschen in eine bestimmte Richtung drängen zu wollen.
Man hätte dem Leser die Chance gelassen, selbst zu entscheiden, wo er sich bei dieser komplexen Thematik und zwischen den verhärteten gesellschaftlichen Fronten verortet. Es wäre ein Dienst an der Inklusion gewesen – auch jener, die ihre homosexuellen Gefühle nicht ausleben wollen.
Dieser Artikel erschien bei PRO Medienmagazin.
Zum Buch:
"Weil ich es will" von Markus Hoffmann
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