«Die Kirche der Zukunft ist eine hörende Kirche»

Klaus Motoki Tonn
Mit seinen LUMEN-Agenturen bringt Klaus Motoki Tonn (50) Licht in Unternehmen und Kirchen, berät in Strategie, Kommunikation und Kultur. Tonn referiert am Weiterbildungstag Kommunikation und Medien am 9. Juni 2023 in Aarau.

Herr Tonn, Sie sind durch Mandate für Landeskirchen mit Kirchenkommunikation vertraut. Was zeichnet eine gesellschaftsrelevante Kirche aus?
Kirche ist gesellschaftsrelevant, wenn sie Menschen mit Worten und Taten betrifft, berührt und bewegt – hoffentlich nicht nur Menschen, die Kirche verstehen oder ihr nahestehen! Die Kirche gehört mitten ins Dorf, sie ist immer mit einem öffentlichen Auftrag unterwegs. Kommunikations- und neurowissenschaftlich ist erwiesen, dass uns nur bewegen kann, was uns berührt. Der Portugiese und Neurowissenschaftler António Rosa Damásio (*1944) fand heraus, dass wir geringste Entscheidungen im Leben nicht ohne Emotionen treffen können.

Wie können Kirchen junge Menschen begeistern und einbinden?
Darüber könnte ich ein ganzes Wochenende referieren… An dieser Stelle nur so viel: Indem sie ihnen zuhört!

Welchen Herausforderungen steht die Kirche heute gegenüber?
Wie andere grosse Organisationen auch, dem rasanten gesellschaftlichen, kommunikativen und digitalen Wandel. Ich möchte nicht behaupten, dass die Spiritualität mit der Säkularisierung zurückgegangen ist, vielleicht sind wir heute sogar spiritueller. Allerdings suchen die Menschen Spiritualität nicht mehr in den Kirchen; daran sind diese nicht unbeteiligt.

War die Pandemie Krise oder Chance für die Kirchen?
Auf jeden Fall Chance. Wir durften viele Kirchen begleiten, die einen Digitalisierungsschub erlebt haben. Nun fragt sich, wie sie nach der auch menschlich sehr herausfordernden Krise fortfahren werden. Können sie den Schwung dieses innovativen Sprungs nutzen?

Skizzieren Sie die Kirche der Zukunft!
Die Kirche der Zukunft ist eine hörende Kirche mitten in der Welt, stets auf der Suche nach ihrer Zukunft. Sie lässt sich immer wieder reformieren, richtet und öffnet ihre «Ohren» stark nach aussen, lauscht aber auch in sich hinein und besinnt sich ihrer Kernelemente. Ich denke z. B. an den Heiligen Geist, mit dem Hoffnung, Erneuerung und ein Auftrag für diese Welt verbunden sind. Wenn wir mehr nach dem Ursprünglichen suchen, die Essenzen unseres Glaubens zum Klingen bringen und weniger Mahnfinger zeigen, dann ist Zukunft möglich.

Ihr Vater ist Internist und Lungenfacharzt. Was hat er Ihnen mit auf den Weg gegeben?
Er hat mir gezeigt, dass man in hohem Alter noch Japanisch lernen kann, dass man sein Leben lang lernfähig bleibt. Stetigkeit und Treue sind Tugenden, die er mich lehrte.

Inwiefern beeinflusst Sie die Kultur Ihrer japanischen Mutter?
Die japanische Kultur ist geprägt von Gastfreundschaft. Das ist einer meiner wichtigsten Werte.

Ihr Vorbild, Neurologe und Psychiater Viktor Frankl (1905–1997), sagte: «Der Sinn des Lebens besteht darin, dem Leben einen Sinn zu geben.» Was bedeutet für Sie persönlich ein sinnerfülltes Leben?
Wenn ich im Einklang mit meinen Werten lebe, auch damit, wie der Geist mich leitet und dann entsprechend handle. So erfahre ich Sinn in meinem Alltag, bis in die kleinsten Begegnungen hinein.

Gibt es Rituale, die Sie mit Ihrer Frau und den Kindern (10 und 12 Jahre) pflegen?
Gemeinsam beten, einander sehen, einander zuhören, zusammen Feste feiern – und die Tragödien des Lebens teilen.

Sie sind ein vielseitig interessierter und begabter Mensch. Auf welche Fähigkeit könnten Sie nur schwer verzichten?
Auf die Kraft der Imagination. Das ist für mich Kreativität in Aktion.

Achtsamkeit, Stille, langsames Atmen… klickt man sich durch die Kurs- und Coachingangebote auf Ihren Webseiten, klingt vieles besonnen und freundlich. Kann man Sie auch auf die Palme bringen?
Ganz klar, wenn man meine Werte verletzt. Etwa wenn jemand Gastfreundschaft in Frage stellt.

«Wir schaffen Frust aus der Welt und wecken Gestaltungslust bei Mitarbeitenden», schreiben Sie auf Ihrer Website lumen-partners.com. Wie gelingt Ihnen das?
Indem wir genau hin- und zuhören. Dadurch fühlen sich die Mitarbeitenden wahr- und ernstgenommen.

Nebst allem Digitalen bieten Sie Schulungen in der Natur an. Welche Erfahrungen machen Sie damit?
Wunderbare! Gerade gestern hatten wir eine schöne Naturbegehung. Hermann Hesse (1877–1962) sagte: «Die Bäume sind für mich immer die eindringlichsten Prediger gewesen.» Die Natur kann uns lehren, wahrzunehmen, was wichtig für uns ist. Sie kann uns in Erinnerung rufen, dass wir sie zu bewahren haben – so, wie sie uns seit jeher bewahrt und uns Heimat schenkt.

Auch Nachhaltigkeit ist Ihnen ein Anliegen, konkret mit einem Projekt in Portugal. Worum geht es?
Wir unterhalten in Portugal ein LUMEN-Business mit einem Nachhaltigkeitsprogramm, führen mit pure burel ein kleines Start-up im Norden des Landes. Es stellt nachhaltige Produkte aus ökologischer Wolle her.

Sie machen nicht nur Betriebe oder Kirchen fit für die Zukunft. Auch Private können vom LUMEN-Know-how profitieren.
Richtig, mit Finde Zukunft trainieren wir Achtsamkeit. Das Programm fokussiert sich auf den persönlichen und werteorientierten Weg in die Zukunft. Die Kurse vereinen Inhalte aus Leadership Tools wie «Search Inside Yourself» mit den japanischen Lebensphilosophien IKIGAI und Kintsugi.

Von diesen Philosophien handelt Ihr druckfrisches Buch «Das Geheimnis der kleinen Dinge». Weshalb sollte man es lesen?
Das Buch feiert die Kultur der Dankbarkeit, man kann sagen, der Gastfreundschaft uns selbst gegenüber. Es lädt dazu ein, die kleinen Dinge im Alltag mehr wertzuschätzen, zu sehen, was wir bereits haben, statt zu fragen, was wir noch brauchen.

Am 9. Juni 2023 referieren Sie erstmals öffentlich in der Schweiz. Was ist Kern Ihrer Botschaft?
Hoffentlich etwas Hoffnungsvolles. Wir können nicht ohne Kommunikation!

Informationen zum Weiterbildungstag in Aarau mit Klaus Motoki Tonn finden Sie hier, Anmeldeschluss ist der 31. Mai 2023.

Zu den Agenturen von Klaus Motoki Tonn:
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Autor: Manuela Herzog
Quelle: Livenet

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