Warum ich Weihnachten brauche
Es gibt Leute, die haben die Nase gestrichen voll von Weihnachten. Ich gehöre auch dazu. Jedes Jahr dasselbe Theater. Dabei ist es doch offensichtlich: Einmal pro Jahr für ein paar Stunden den Weltfrieden heraufbeschwören, oder zumindest den Familienfrieden... das kann ja nur schiefgehen. Spannungen sind vorprogrammiert. Denn das Unterfangen, es einmal im Jahr allen in der Familie recht machen zu wollen, ist ein utopisches. Das war es immer schon.
Zwei Varianten
Ein Radiomoderator kommentierte dieses zum Scheitern verurteilte Vorhaben einst wie folgt (ich zitiere sinngemäss): «Wir haben zwei Varianten. Wir lassen die Bombe platzen und sagen uns an Weihnachten wieder mal so richtig die Meinung. Oder wir machen gute Miene zum bösen Spiel und halten einfach die Luft an in der Hoffnung, dass es möglichst schnell vorbeigeht und wir das Weite suchen können.»
Er riet dann zur zweiten Variante, was ich als sozial verantwortungsbewusst erachte. Aber genau da liegt mein Problem: Mir ist Weihnachten zuwider, wegen den vielschichtigen Spannungen, die in der Luft liegen und die ich als hochsensitiver Mensch nur schwer auszuhalten vermag. Wie oft hab ich gedacht: «Hoffentlich geht es schnell vorbei.» So oft hab’ ich mir gewünscht, besser damit umgehen zu können. Ich hab’s versucht. Einer meiner Versuche glich dem totalen Bildersturm wie zu Luthers Zeiten. In vermeintlich reformatorischer Gesinnung verkündete ich als 15-jähriger Teenager, dass ich keinen Weihnachtsbaum mehr dulde und es höchste Zeit sei, alle weihnächtlichen Traditionen radikal zu beseitigen. Doch in die Tat umgesetzt, fühlte sich das dann zu meinem Erstaunen ziemlich trostlos und unbefriedigend an.
Als ich während meiner Lehrzeit zum Forstwart jeweils einen Tannenbaum vom Lehrbetrieb umsonst beziehen und auch selbst auslesen durfte, gab es auch bei Hunzikers wieder einen Weihnachtsbaum. Und ich holte auch die verbannte Blockflöte aus der Versenkung und spielte zusammen mit meinen Geschwistern jedes erdenkliche Weihnachtslied, das mir in den Sinn kam.
Reanimation von Weihnachtsliedern
Und weil ich seit ein paar Jahren auch aus beruflichen Gründen gegen Jahresende jeweils etwas Passendes zu Weihnachten von mir geben sollte, musste ich mich neu mit dem Gedanken anfreunden, die Sache mit Weihnachten wirklich ernst zu nehmen. Anders gesagt: Ich musste meiner ambivalenten Beziehung zu Weihnachten eine Frischzellenkur verpassen. Ich begann als erstes mit der Reanimation von Weihnachtsliedern. Eigentlich habe ich sie schon immer gemocht, wegen ihren zauberhaften Melodien und Harmonien, die, auch wenn schon tausendmal gehört und gesungen, ihren Zauber immer wieder neu entfalten, wenn ich es ihnen denn gestatte.
Der «Stern vo Bethlehem» – komponiert vom grossartigen Schweizer Komponisten Paul Burkhard für die Zäller Wiehnacht – gehört zu meinen Lieblingen. Ich schmelze innerlich dahin, wenn ich nur schon daran denke. 2019 veröffentlichte ich mit meiner damaligen Band Komood eine Neu-Interpretation, mit angepasstem Arrangement. Die einen verschmähten die Version als sentimental. Andere schrieben mir, dass sie zum ersten Mal den Text bewusst wahrgenommen und verstanden haben. Für mich war es ein Akt der Versöhnung mit dem Weihnachtsfest. Eine Rückkehr zu den Wurzeln. Ein Besinnen auf das Wesentliche.
Weihnachten neu verstehen
Lieder wie dieses, erzählen und vermitteln das Einzigartige, Wundersame und Zauberhafte an der Weihnachtsgeschichte. Sie ist eben kein Brüder-Grimm Märchen. Auch keine von Menschen erdachte Fantasy-Saga. Nein, die Weihnachtsgeschichte ist die Geschichte hinter allen Geschichten. Es ist die Geschichte von der Rettung der Welt. Es ist die Geschichte von der Befreiung aller Gefangenen und Heimkehr aller Verbannten. Es ist die Geschichte von Jesus, der als Licht in die Dunkelheit der Welt kam. Timothy Keller brachte es auf den Punkt, als er schrieb: «Wer Weihnachten verstanden hat, der hat die Botschaft von Jesus Christus verstanden!»
Ich will Weihnachten neu verstehen lernen. Mich nicht abhalten lassen von dem, was mich nervt. Nicht stehen bleiben bei dem, was ich schon weiss. Nochmals neu und unvoreingenommen hinsehen. Hinhören. Mich neu verzaubern lassen.
Weihnachten und ich – eine Hassliebe. Aber eine Hassliebe, von der ich mich neu inspirieren lassen will. Denn wenn da kein Hass in mir wäre, bräuchte ich auch keine Liebe, um diesen Hass zu überwinden und in ehrlich gemeinte Hingabe an Gott und meine Mitmenschen umzuwandeln. Ich brauche Gottes Liebe. Ich brauche Erlösung. Ich brauche Weihnachten.
Hören Sie sich hier das Lied an:
Zur Serie:
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