Vergebliches Dialogangebot an die Gen Z

Eine Gruppe Jugendlicher (Gen Z)
Wie lässt sich heute eine geistlich neugierige junge Generation ansprechen? «Indem man die Tür zum Dialog öffnet», schlägt Doug Schaupp von «InterVarsity Christian Fellowship» vor und liegt damit daneben. – Ein Kommentar von Hauke Burgarth.

Natürlich ist es richtig und wichtig, miteinander im Gespräch zu sein, doch das Wie ist dabei von entscheidender Bedeutung. Eltern und Verantwortliche in Kirchen und Gemeinden werden in den Medien immer wieder dazu eingeladen, den Dialog mit der «Generation Z» zu suchen. Das sind junge Menschen unter 26 Jahren, die WhatsApp seit frühester Kindheit kennen, denen Privates und Familie sehr wichtig ist, die gerade merken, dass sie beruflich gute Auswahlmöglichkeiten haben, gleichzeitig unter Corona- und Kriegsängsten leiden – und die in unseren Kirchen und Gemeinden kaum vorkommen. Kein Wunder also, dass Doug Schaupp als Evangelist der bekannten US-Studierenden-Mission «InterVarsity Christian Fellowship» den Fokus auf diese Leute richtet und in einem ausführlichen Artikel zum Dialog mit ihnen einlädt.

Reden und Integrieren?

Bereits das Eröffnungsszenario stellt allerdings nicht die jungen Leute in den Mittelpunkt, sondern die Elterngeneration mit ihren Erwartungen. Sie sitzen zu Hause und ihr erwachsenes Kind kommt nach dem ersten Semester heim. Sie wünschen sich das Gespräch und den Austausch, aber Sohn oder Tochter ziehen sich lieber zurück. Schaupp schlägt vor: Suchen Sie neue Anknüpfungspunkte. Akzeptieren Sie die Agenda ihrer erwachsenen (!) Kinder. Seien Sie die Führungsperson, die gebraucht wird… Spätestens hier wird deutlich, dass es Schaupp nicht um einen Dialog auf Augenhöhe geht: Eltern oder auch die Gemeinde sollten seiner Meinung nach daran arbeiten, Einfluss aufs Leben der jungen Leute zu nehmen. «Ermutigen Sie Ihr Kind zu wachsen. Ihr Kind ist vielleicht nicht mehr so klein, aber Sie können immer noch die lauteste und vertrauenswürdigste Stimme in seinem Leben sein.»

Sein Ansatz klingt dabei stark nach einem politischen Statement, wie man mit Geflüchteten umgehen sollte: integrieren, Raum geben, annehmen. Vor allem aber geht es ihm darum, die jungen Menschen zu guten Bausteinen innerhalb des bestehenden Systems zu machen. Ist es das, was die Beziehung zu erwachsenen Kindern in der Familie weiterentwickelt? Findet die Gen Z so zurück in Kirche und Gemeinde? Eher nicht… Tatsächlich haben viele junge Christinnen und Christen ihre eigenen Vorstellungen. Sie wollen nicht «auf Kurs» gebracht werden, sondern sie suchen nach Räumen, wo sie tatsächlich Neues ausprobieren können.

Neue Schläuche

Die Bibel hat für diese Situation ein sehr treffendes Bild: «Ebenso füllt niemand jungen, gärenden Wein in alte, brüchige Schläuche. Sonst platzen sie. Dann läuft der Wein aus, und die Schläuche sind unbrauchbar. Nein, jungen Wein füllt man in neue Schläuche! Nur so bleibt beides erhalten.» Matthäus, Kapitel 9, Vers 17. Neues Denken benötigt neue Formen, sonst ist es nicht konstruktiv umsetzbar. Zu allen Zeiten gab es an dieser Stelle den Einwand, dass die alte Generation der jungen so viel an Erfahrung und Expertise weiterzugeben hätte. Da ist bis heute etwas dran, aber bei Licht besehen, geht es eben nicht darum, jungen Menschen zu sagen, wo es langgeht.

Ein Blick in die jüngere Missionsgeschichte ist dabei sehr hilfreich. John Wesley gründete seinen «Holy Club» 1726 mit 23 Jahren. Hudson Taylor reiste 1853 mit 21 Jahren das erste Mal nach China aus. Und George Verwer gründete «Operation Mobilisation» mit 19 Jahren. Sie alle – und noch viel mehr Missionsgründer – würden heute zur Generation Z gehören. Sie waren eben keine erfahrenen, gestandenen, älteren Persönlichkeiten, sondern das, was man oft als «junge Wilde» bezeichnet. Sie haben einfach angefangen. Heute sind ihre Anfänge längst Geschichte und viele, die gerade meinen, dass es sinnvoll wäre, auf Erfahrung und Tradition zu bauen, vergessen, dass die Gründer der Methodisten, von Overseas Missionary Fellowship, von OM und zahlreichen anderen Organisationen gerade erst erwachsen waren, als sie ihren gesegneten Dienst begannen.

Woher sollen Lösungen kommen?

Wer einen Blick auf die aktuellen Zukunftsfragen wirft, stellt bald fest: Die ältere Generation hat keine Antworten darauf. Weder auf schöpfungs- noch auf gemeindeorientierte. Muss sie auch gar nicht! Wer heute 50, 60 oder 70 Jahre alt ist, braucht nicht zu wissen, was in den nächsten 25 Jahren wichtig ist. Stattdessen sollte diese ältere Generation Jüngeren Raum dafür schaffen, dass sie ihre eigenen Fragen angehen kann. Das kann über einen Blick zurück geschehen. Doug Schaupp wirbt für ein Programm, das Studierende aus ihrer «Glaubenskrise» herausführen kann.

Dabei liegt der Schwerpunkt auf einem Integrieren von jungen Menschen in bestehende Strukturen. George Verwer hat sich diesem Ansatz 1957 widersetzt. Hoffentlich tun es Christinnen und Christen 2023 genauso! Denn das Angehen der eigenen Fragen sollte in erster Linie über einen Blick nach vorne geschehen. Über den Blick derjenigen, die das ausleben müssen, was heute entschieden wird. «Lasst uns die Tür zum Dialog mit der Generation Z öffnen» scheint mir ein Ansatz zu sein, der zu kurz greift. Geht es darum, junge Leute in den seit 50 Jahren bestehenden Chor der Gemeinde zu integrieren, oder darum, wie Musik in den nächsten Jahren im Gemeindekontext gesungen und gelebt werden kann? Geht es darum, bestehende Gottesdienstformate aufrechtzuerhalten, oder jenseits von Orgel und «Abkündigungen» etwas zu entwickeln, was für heute relevant ist?

Wenn die Gen Z für irgendetwas bekannt ist, dann dafür, dass sie sehr genau nachfragt: Passt ein Konzept in die Zeit? Passt es zu mir? Ist es «echt»? All diese Fragen zeigen kein Gegeneinander der Generationen, sie machen allerdings deutlich, dass die Fragen von morgen nicht mit Antworten von gestern bewältigt werden können. Konkret: Es geht nicht darum, dass die Älteren den Jüngeren die Tür öffnen, sondern dass alle Generationen gemeinsam auf Augenhöhe daran arbeiten, dass die gute Nachricht Gottes für Menschen von heute verständlich und greifbar wird. Und der Anteil der älteren (meiner!) Generation ist es in erster Linie, die Jüngeren dabei ernst zu nehmen und sie nicht einzuladen, am eigenen Gemeindeleben teilzunehmen, sondern sie zu ermutigen, Kirche und Gemeinde für heute neu zu denken – so wie die Generationen vor ihnen.

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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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