Gott zeigt sich anders

Der Stall von Bethlehem
Manchmal denken wir, Gott hätte uns vergessen. Doch Stephanie Kelm hat beim Nachlesen der Weihnachtsgeschichte festgestellt: Manchmal wählt Gott einfach andere Wege, um uns zu begegnen.

Beim Lesen der Weihnachtsgeschichte ist mir neulich zum ersten Mal aufgefallen: Es wird nicht berichtet, dass Gott sich Maria und Josef in dieser Nacht in Bethlehem offenbarte. Die Geburt erfolgte nicht mit grossem Knall und Feuerwerk, es erschien auch kein Engel im Stall. Maria gebar Jesus. Und erst einmal passierte nichts.

Vom Himmel her war es still. Gott hatte Maria und Josef nicht auf wundersame Weise ein Zimmer geschenkt. Er hatte ihnen Kopfschütteln entgegengehalten – und sie am Ende in diesen Stall geschickt. Keine berührende Erfahrung, kein Wow-Effekt. Nur ein muffiger Stall. Und dort hatte Maria ihn bekommen, den Sohn Gottes. Die Geburt hatte ihr sogar ein Engel vorausgesagt, doch zum freudigen Ereignis selbst war niemand zu sehen.

Die Bibel berichtet nichts von einer Offenbarung. Maria und Josef gehen in dieser Nacht leer aus. Stattdessen erhalten ein paar Hirten in der Nähe die Offenbarung. Ein Engel erscheint ihnen, dann eine ganze Engelschar! Und als die Hirten begreifen, entscheiden sie auf der Stelle: «Wir gehen nach Bethlehem!» Während Maria und Josef noch in ihren Gedanken sind, in ihren Fragen, vielleicht auch ihrer Enttäuschung, da kommen die Hirten angerannt und berichten, was sie gesehen haben.

Gott handelt nicht nach meinem Plan

Gott geht eigenartige Wege. Manchmal schickt er Engel, manchmal nicht. Manchmal berührt er uns, manchmal nicht. Manchmal erhört er Gebete, manchmal nicht. Es gibt Momente, in denen ich denke: «Gott, ich brauche dich gerade jetzt!» Und Gott lässt mich sitzen, meinen Fragen und Gedanken, meiner Enttäuschung und Angst ausgeliefert.

Und doch ist er keiner, der vergisst. Er wählt andere Wege. Für Maria und Josef berührt er Hirten auf dem Feld und schickt sie als Besucher vorbei.

Und dann stehen sie bei Maria, Josef und dem Sohn Gottes. Sie erzählen, teilen ihre Freude und ihr Erstaunen, ihre Begegnung mit den Engeln. Und ihre Hirten-Worte können gar nicht ausdrücken, was sie gesehen haben. Sie sind bewegt, das ist nicht zu übersehen. Und Maria ist bewegt, denn sie spürt: Gott hat uns nicht vergessen.

Weitere Gäste gibt es in dieser Nacht nicht. Der Anlass hätte es gerechtfertigt. Vermutlich waren die Hirten verwundert, dass sie die einzigen waren. Erstaunt, dass Gott gerade sie erwählt hatte. Aber Gott erwählt sie. Vielleicht weil er weiss, dass diese Begegnung sie für immer verändern wird. Und weil er weiss, dass die Hirten in dieser Nacht genau das sind, was Maria und Josef brauchen.

Gott lässt sich nicht einsperren

Es gibt immer wieder Zeiten in meinem Leben, da fühle ich mich von Gott vergessen. Ja, ich habe seine Zusagen! Ja, ich habe ihn erlebt! Aber wenn das Dunkel kommt und kein Engel parat steht, dann fühle ich mich verlassen.

Maria und Josef sitzen mit ihrem neugeborenen Jesus im Stall. Ich hocke mit meiner Bibel an meinem Schreibtisch und sehne eine Stille Zeit herbei, in der Gott mir endlich wieder begegnet. Er tut es nicht. «Gott, ich sehne mich so sehr danach, mit dir verbunden zu sein!» Funkstille.

Für mich ist das Schreiben an Gott die Art, wie ich am besten Verbindung zu ihm aufbauen kann. In guten Phasen spüre ich, wie er mich per Kopf und Stift zu hilfreichen Gedanken leitet. Ich lebe und ernähre mich davon. Wenn ich spüre «Alles ist gut! Gott ist da!», dann ist alles in Ordnung.

Ich falle umso tiefer, wenn da nur ein Nichts ist, Gott sich nicht zeigt. Dann fühle ich mich verlassen, sitzengelassen. «Gott, wo bist du? Ich brauche doch gar kein Wunder. Ich will doch nur, dass du dich zeigst.»

Vielleicht bringt mir Gott gerade bei, dass Verbundensein mit ihm mehr ist. Dass das nicht nur so funktioniert, wie ich mir das vorstelle. Jeder hat wohl seinen Weg, wie er sich am liebsten mit Gott verbindet, und das ist auch gut so! Aber Gott hat mehr Möglichkeiten. Er steckt nicht nur in einer Engelschar oder in der Bibel.

Gott kümmert sich eigensinnig um mich

Als ich vor zwei Jahren eine längere Hüttenwanderung allein durch die Alpen gemacht habe, hatte ich auch vorgehabt: «Das soll eine gute Zeit mit Gott werden!» Was gibt es Besseres, als draussen in der Natur mit Gott verbunden zu sein! Es hat nur nicht funktioniert. Ich war so mit Laufen, Schlafen und Essen beschäftigt, dass Gott gefühlt komplett herausgefallen ist. Und wenn ich mir wirklich einmal Zeit genommen habe, dann war da nichts – nur Leere, Erschöpfung oder Gedanken an anderes.

Ich war enttäuscht, frustriert, wütend auf mich, fühlte mich schuldig, dass ich das mit Gott und mir nicht hinkriege. Und ich war enttäuscht von Gott, dass er mir nicht half, gedanklich zu ihm durchzukommen. Er musste das doch genauso wollen wie ich! Irgendwann auf dieser Tour dachte ich: «Vielleicht begegnet mir Gott anders. Vielleicht will er sich hier draussen ja gerade nicht in eine Stille Zeit einsperren lassen.»

Echte Verbundenheit mit Gott kam tatsächlich die ganzen fünf Wochen kaum in mir auf. Doch Gott hat auf dieser Tour anders für mich gesorgt, sich anders mit mir verbunden, viel bodenständiger. Ich hab’s nur nicht kapiert. Ich hatte in diesen fünf Sommerwochen im Hochgebirge kein einziges Gewitter. Ich konnte alle Etappen laufen wie geplant, musste nicht wegen schlechtem Wetter umplanen. Ich habe immer einen Schlafplatz gefunden. Und manche Begegnung unterwegs war einfach nur das, was meine Seele gerade brauchte. Gott war da.

Gott will mir überall begegnen

Vielleicht vermisse ich Gott manchmal nur, weil meine Scheuklappen zu eng sind. Weil ich meine, er müsste sich in schlauen Gedanken in meiner Stillen Zeit zeigen. Aber vielleicht macht es Gott gerade Spass, mich woanders zu überraschen und mir zu zeigen: «Hallo, hier bin ich auch!»

Maria und Josef überrascht Gott durch Hirten, die mitten in der Nacht auf der Matte stehen und aufgeregt ihre Offenbarung erzählen. Was für ein Bild muss das gewesen sein! Gott wusste ganz genau, was er tut. Die Hirten konnten ihre Freude teilen – und Maria und Josef durften staunen über das, was Gott da draussen getan hatte. Sie hatten ja keine Ahnung gehabt!

Gott vergisst nicht. Er vergisst mich nicht und er vergisst Maria und Josef nicht. Die Bibel enthält an dieser Stelle nur einen kurzen Satz: «Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.» (Lukas Kapitel 2, Vers 19) Ja, Gott ist gut! Das will ich in meinem Herzen bewegen.

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Autor: Stephanie Kelm
Quelle: Magazin Joyce 04/2024, SCM Bundes-Verlag

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