Liebescomeback auf dem Bauernhof

Irma und Hansueli Stricker
Den eigenen Hof zu bewirtschaften war das Ziel von Hansueli und Irma Stricker aus dem Appenzellerland. 2015 haben sie es erreicht, aber auf dem Weg dahin wäre ihre Ehe fast auf der Strecke geblieben. Hansuelis Alkoholkonsum trug wesentlich dazu bei.

«Wir haben unterschätzt, wie wenig Privatsphäre bleibt, wenn wir mit den Verpächtern unter dem gleichen Dach leben», gestehen Irma und Hansueli Stricker. Sie haben 1994 jung geheiratet und waren schnell eine fünfköpfige Familie. Damals lebten sie ständig unter den Augen des älteren Paars, welches ganz selbstverständlich einfach in ihre Wohnung kam, wenn es etwas zu bereden gab. «Sie hätten gern auch mit uns zusammen gegessen…», so Irma.

Hansueli kniete sich voll rein in seine Arbeit als Bauer, wollte es dem Verpächter recht machen, wollte die Pacht unbedingt behalten. So blieb kaum Zeit für Frau und Kinder. Doch schliesslich wurde der Druck zu gross, für allem für Irma. Die beiden wehrten sich gegen das Verhalten der Verpächter. Das Resultat: Sie bekamen die Kündigung. 

Ziel erreicht?

Im Zürcher Oberland, unterhalb des Bachtels, übernehmen sie zuerst eine Pacht, seit 2015 sind sie Besitzer des Hofs. Heute packen ihre drei Kinder gern mit an, wenn es darum geht, die Tiere zur Viehschau in Hinwil vorzubereiten und zu begleiten. Hansueli amtet dort als Vorstandsmitglieds des Braunviehzuchtvereins, ist bestens vernetzt. Die ganze Familie geniesst jeweils das traditionelle Volksfest. Vor 15 Jahren sah das nicht so aus.

Alkohol, mein Freund…

Sie hatten beide viel Arbeit zu bewältigen, standen unter Druck, den Hof wirtschaftlich zu führen, entfernten sich immer mehr voneinander. So begann Hansueli den Tag mit einem halben Glas Hochprozentigem, dazu kamen zehn Flaschen Bier, bis am Abend hatte er einen Liter Schnaps intus. «Ich bin einfach reingerutscht und habe lange gemeint, ich hätte das im Griff…», erkennt er rückblickend.

Seine Frau fühlte sich jedoch immer mehr angeekelt, wenn er wieder betrunken war. «Er hat mir immer wieder versprochen, damit aufzuhören. Aber er hielt nicht durch – ich fühlte mich betrogen.» Sie entfernte sich innerlich still und leise von ihrem Mann, dessen Persönlichkeit sich immer mehr veränderte. Sie verliebte sich und hatte schliesslich eine Affäre. Die beiden Ehepartner ertrugen einander nicht mehr, sie suchten Distanz. Auch die Kinder litten sehr unter der Situation.

Getrennt

Von 2006 bis 2008 lebte die Familie getrennt, auch er ging fremd. Frau und Kinder wohnten auswärts, er stellte einen Wohnwagen auf den Betrieb, Nun lebte er direkt am Arbeitsplatz, bei seinen Kühen, nah der Käserei, wo er die Milch ablieferte. «Die Kinder fanden es cool, am Wochenende beim Papi im Wohnwagen zu übernachten!», erinnert sich Irma. Und jetzt endlich fingen sie an, miteinander zu reden. Hansueli realisierte, dass er im Begriff war, seine Frau und die Familie zu verlieren.

Weihnachten feierten alle gemeinsam, zuerst im Wohnwagen, im zweiten Jahr in der Familienwohnung. «Beim zweiten Mal war er nüchtern und präsent. Er kümmerte sich liebevoll um die Kinder und um mich», erinnert sich Irma. «So könnte ich mir Ehe vorstellen», dachte sie nun. Heute weiss sie: «Das war ein Wendepunkt.» In einer Psychotherapie lernte sie, ihre Bedürfnisse zu erkennen und zu benennen. Als sie in ihrer Kirche das Jahreslos aus Jesaja 43, Verse 18 und 19 zog, nahm sie das als persönlichen Hinweis Gottes: «Bleib nicht bei der Vergangenheit stehen, schaut nach vorn. Ich schaffe Neues, sehr ihr es nicht?»

Ade Alkohol

Wegen Trunkenheit am Steuer hatte Hansueli schon zweimal den Fahrausweis abgeben müssen. Irma bat ihren Mann, einen Alkoholentzug zu machen. Nun war er bereit dazu. «Am Sonntagnachmittag, 4. Februar 2008, trank ich den letzten Schnaps – er wurde von den Kollegen offeriert. Seither habe ich keinen Tropfen mehr getrunken – da hatte Gott seine Finger im Spiel», bestätigt Hansueli.

In der Klinik für Alkoholentzug in Ellikon absolvierte der Landwirt ein verkürztes Programm und lernte während dreier Wochen viel über seine Sucht. «Mein Hirn musste umgepolt werden – es geht da nicht nur um den Alkohol.» Die üblichen sechs Wochen konnte er nicht absolvieren, er hatte seine Kühe zu versorgen. Doch das Gelernte setzte sich tief in seinem Bewusstsein fest und Gott befreite ihn von der Sucht. Seither hat er kein Bedürfnis mehr nach Alkohol. Früher sei er gefangen gewesen, nun gehe es ihm blendend. «Man kann auch lustig sein ohne Alkohol», schmunzelt der dreifache Vater.

Vergebung schenkt Neuanfang

«Heute ist er kommunikativ und extrovertiert», beschreibt Irma ihren Mann. Das Ehepaar liess sich von einem Seelsorger begleiten, legte alles auf den Tisch, was zwischen ihnen stand. «Wir entschieden uns, einander zu vergeben.» Das sei keine Gefühlssache gewesen, sondern ein Entschluss, den sie beide teilten. Ihre Ehe sei völlig neu geworden. Er führt den Hof wieder zusammen mit seiner Frau, sie können sich aufeinander verlassen. «Wir haben uns nochmals segnen lassen, nun steht unsere Ehe auf einem guten Fundament», betont das Paar. «Gott gehört als Dritter fest in unsere Mitte.»

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Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Livenet

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