Kommentar

Wer schafft Vertrauen?

Am Times Square in New York.


Die Kluft des Misstrauens zwischen einem Grossteil der Amerikaner und ihren Politikern hat sich vertieft. Der Ausgang der Kongresswahlen in einem Monat ist nicht abzusehen, da die Tea-Party-Bewegung auch den Republikanern Wähler abspenstig und extreme Positionen salonfähig macht. Nach der Machtlosigkeit des Staats gegenüber der Ölverschmutzung ein weiteres Alarmzeichen für die führende Demokratie der westlichen Welt.

Die Kluft wird auch von den Medien nicht überbrückt, da die meisten als parteilich gelten. Eine neue Gallup-Umfrage akzentuiert das Bild: Mitte September gaben 57 Prozent der Befragten an, ihr Vertrauen in die Massenmedien (Presse, TV, Radio) sei gering oder null. Dies übertrifft den bisherigen Minusrekord von 2008 um ein Prozent. Bei Wechselwählern und Republikanern hatten über 60 Prozent wenig oder kein Vertrauen. 48 Prozent der Amerikaner sehen die Medien als «zu liberal» an, nur 15 Prozent finden sie zu konservativ. Allerdings geniessen die grossen Medien immer noch mehr Vertrauen als das Parlament, das die Bürger selbst bestellen: Nur 36 vertrauen ihren gewählten Vertretern in Washington.

In den säkularen Gesellschaften geben die Medien Orientierung. Sie vermitteln die Aktualitäten, wie sie wollen, geben Rat, präsentieren Vorbilder, formen Meinungen, bestimmen den Horizont, setzen Werte und schärfen sie ein, grenzen aus, verdammen und tabuisieren, was ihnen nicht passt. Massenblätter, populäre Fernsehprogramme und soziale Netzwerke haben einen kaum zu überschätzenden Einfluss.

Angesichts dieser Flut, die die aktive Bevölkerung von früh bis spät umspült (und viele überfordert), scheint das Vermögen der Kirchen kläglich klein, Orientierung in grösseren Zusammenhängen, die Gute Nachricht von Jesus und christliche Sinnhorizonte zu vermitteln. Sie erreichen mit ihren Botschaften und Angeboten nur noch eine Minderheit der Menschen zwischen Ostsee und Mittelmeer. Dass ihr Bedeutungsverlust mit dem der meisten Institutionen einhergeht, ist wenig tröstlich.

Die Medien haschen unaufhörlich nach Neuem und Reizendem, nach Sensation und Glamour. Dass sie dabei die fürs Funktionieren der Demokratie wesentliche Beständigkeit, die erst Vertrauen erzeugt, schaffen, solide ethische Anhaltspunkte liefern und verlässliche Horizonte setzen, muss bezweifelt werden. Im Fluss der Ereignisse schwimmen Medien mit der Gesellschaft. Gefragt sind unabhängig denkende Menschen – und Kirchen mit prophetischer Kompetenz.
 

Datum: 02.10.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch