Sklaven befreien – ein christlicher Auftrag?
Im vergangenen Jahr befreite CSI 1'500 südsudanesische Sklaven im Sudan (Livenet berichtete). Die Gesamtzahl der vom Schweizer Werk in den letzten 30 Jahren befreiten Sklaven beträgt inzwischen über 100'000. Simon Brechbühl (40), seit 2022 Geschäftsführer der Stiftung CSI-Schweiz, hat im März im Südsudan 300 Menschen besucht, die CSI kurz zuvor aus sudanesischer Sklaverei befreit hat.
Menschenhandel?
Auf die Frage der Nachrichtenagentur kath.ch, ob die Organisation CSI Menschenhandel betreibe, erklärt Brechbühl: «Wir kaufen keine Menschen frei. Wir befreien versklavte Menschen und bieten den Sklavenhaltern dafür Viehimpfungen an. Es fliesst kein Geld an Sklavenhalter. Im Sudan sind es vor allem Grossgrundbesitzer, die Sklaven arbeiten lassen. Im Austausch gegen die gefangenen Menschen erhalten die Landbesitzer Viehimpfungen. Diese sind vor Ort meist nicht erhältlich und daher sehr begehrt.»
Der Hintergrund: Der Sudan und der Südsudan – der 2011 unabhängig wurde – sind bekanntlich zwei Länder, die sich ethnisch und religiös deutlich unterscheiden. Brechbühl: «Der Sudan ist muslimisch geprägt und die Menschen sehen sich als Araber. Der Südsudan ist christlich geprägt und dort leben schwarzafrikanische Völker wie zum Beispiel die Dinka. Bis 2005 gab es immer wieder Überfälle aus dem Norden auf Dörfer im Süden, bei denen Menschen verschleppt und versklavt wurden. Im Sudan werden leider viele Südsudanesen immer noch von Grossgrundbesitzern als Leibeigene gehalten und in der Land- und Viehwirtschaft eingesetzt.»
«Gefangene befreien»
Auf Nachfrage von Livenet hin erklärt Brechbühl die Motive von CSI: «Einer unserer Schwerpunkte ist es, Gefangene zu befreien und uns für sie einzusetzen. Es gibt ja viele Formen von Gefangenschaft, z.B. Menschenhandel, Zwangsverheiratung, sexuelle Ausbeutung oder auch religiös motivierter Unterdrückung. Eine weitere Form von Gefangenschaft finden wir im Sudan: Männer und Frauen wurden im Bürgerkrieg, der bis 2005 andauerte, von arabischen Milizen vom Süden (heutiger Südsudan) in den Norden entführt und dort versklavt. Sie haben keine Rechte, keinen freien Willen, keinen legalen Status und werden einfach ausgebeutet.»
Die im Gegenzug gegen Viehimpfung befreiten Menschen werden von CSI in den Südsudan zurückgeführt. Dort erhalten sie Überlebenspakete, Getreide und eine Milchziege zur Selbstversorgung und können so in ihrer Heimat eine neue Existenz aufbauen. «Zudem helfen wir den befreiten Menschen, ihre Familie und Verwandten wieder zu finden. Es sind berührende Szenen, wenn sich Familienmitglieder nach Jahren der Trennung und Ungewissheit wieder in die Arme schliessen können», schildert Brechbühl seine Erfahrungen.
Nicht nur für Christen
«Christliche Solidarität» ist ein Teil des Namens von CSI. Engagiert sich die Menschenrechts- und Hilfsorganisation also nur für Christen und Christinnen? Brechbühl auf die entsprechende Frage von kath.ch: «Nein. Nicht alle befreiten Sklaven sind Christen. Wir helfen einerseits denjenigen des weltweiten Leibes Christi, die unterdrückt werden und in einer feindlich gesinnten Umgebung leben. Andererseits helfen wir den Schwächsten und Verletzlichsten der Gesellschaft, unabhängig ihres ethnischen oder religiösen Hintergrundes. Wir leisten auch humanitäre Nothilfe, so geschehen bei Überschwemmungen in Pakistan oder beim Erdbeben in der Südosttürkei/Syrien Anfang letzten Jahres. Da fragen wir doch nicht nach ethnischen oder religiösen Hintergründen, sondern einfach danach, was die Betroffenen brauchen.» Auch auf die Frage, ob CSI «missioniert», stellt er klar fest: «Nein, wir missionieren nicht. Das ist übrigens ein wichtiger Punkt. CSI versteht sich als Menschenrechtsorganisation, die sich für Religionsfreiheit einsetzt, gemäss Artikel 18 der `Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte`. Wir engagieren uns im humanitären Bereich durch Hilfsprojekte und auf politischer Ebene durch unsere Menschenrechtsarbeit.»
Gewalt gegen Christen: im Westen zu wenig bekannt
Dennoch: Brechbühl stellt fest, dass bei uns im Westen die Tatsache, dass Gewalt gegen Christen weltweit deutlich zunimmt, nur wenig öffentliches und kaum Medienecho findet. Seine Erklärung: Wir würden zwar in einer immer noch vom Christentum geprägten Gesellschaft leben, aber die christliche Identität spiele eine immer geringere Rolle, sodass man sich als Hilfswerk schnell erklären müsse: Warum christlich? Brechbühl: «Dass säkulare Menschenrechtsorganisationen wahrscheinlich seltener gefragt werden, warum sie säkular unterwegs sind, hat auch etwas mit Mehrheitsverhältnissen und Mehrheitsidentität zu tun.»
Sein Ziel sei es, diese Hintergründe klarzustellen und ein Verständnis zu vermitteln. «Und die Erfahrung zeigt, dass das eigentlich sehr geschätzt wird», schliesst Brechbühl.
Zur Website:
CSI
Zum Thema:
Christliche Ostmission: Menschenhandel – auch in der Schweiz
Kampagne gegen Menschenhandel: Sklaverei breitet sich in der Schweiz aus
«Dunkelziffer enorm»: Schweiz: 500 Meldungen im Bereich Menschenhandel