Zwischen Baum und Borke

Werner Bücklein hat eine Gruppe eröffnet, für eine oftmals vergessene Altersgruppe.
Gemeindediakon Werner Bücklein startet eine Initiative für 50- bis 65-Jährige, die zwischen den Anforderungen des Alterns der Eltern und dem Auszug der Kinder oft vergessen werden. Die Gruppe bietet Treffen mit Bildungs- und geistlichen Impulsen.

In den meisten christlichen Gemeinden gibt es Angebote für Kinder, Teenager, Jugendliche, für junge Familien … und nachdem man mehrere Jahrzehnte ausgelassen hat, geht es dann erst wieder mit den Senioren weiter (auch wenn man diese Gruppe oft anders benennt). Erst allmählich kommen auch die 50- bis 65-Jährigen in den Blick. Gemeindediakon Werner Bücklein entwickelt für diese Zielgruppe eine neue Initiative.

Herr Bücklein, welche Zielgruppe haben Sie im Blick?
Werner Bücklein:
Die 50- bis 60-, vielleicht 65-Jährigen. Wir nennen diese Gruppe «Zwischen Baum und Borke»: Die Kinder sind schon weg oder gehen gerade, die Eltern werden alt und älter und müssen vielleicht ins Heim, wollen aber nicht. Für die Generation dazwischen ist das alles ziemlich stressig. Und viele stellen sich die Frage: «Wo bin eigentlich ich geblieben?» In diese Situation hinein wollen wir einen Impuls setzen. Angefangen mit Stichworten wie «Ankommen, Aufatmen, Raum für mich gewinnen» – bis hin zu den rechtlichen Fragen: Wie ist das mit Betreuung, mit Heim­unterbringung, mit Pflegestufen? Alles, was man im normalen Alltag nicht im Blick hat. Wir wollen auch einen geistlichen Impuls setzen. Zu Überlegungen wie Loslassen, Vergebung, das Leben aufräumen, heil werden.

Was ist der Unterschied zu einer normalen 50plus-Arbeit?
Mir schwebt eine Mischform vor zwischen einem regelmässigen Treff, zu dem Menschen in einer gewissen Kontinuität zusammenkommen, dabei auch ein Vertrauensverhältnis aufbauen – und Vortrags- oder Seminarveranstaltungen zu Themen wie beispielsweise Betreuungsrecht.

Planen Sie das für eine bestimmte Ortsgemeinde?
Nein, das ist gerade völlig im Umbruch. Meine Kollegen und ich sind aus den stationären Bindungen herausgenommen und überregional in einem sogenannten gemeindepädagogischen Dienst versammelt worden. In diesem neuen Konstrukt suchen wir neben dem, was wir üblicherweise machen, neue Veranstaltungsformen, um den Gemeinden überregional zu dienen. Für mich persönlich gilt das für Speyer plus sechs weitere Orte.

Aber wir wollen nicht nur die kirchliche Öffentlichkeit einbinden – diejenigen, die sowieso schon zu uns kommen. Ich habe vor, in die Altenheime zu gehen, Kontakt zu denen aufzunehmen, die die Heimbewohner besuchen. Also zu den Kindern und Enkeln. Und ich will an die Presse gehen, über Soziale Medien etwas publizieren, sodass Leute darauf aufmerksam werden können, die nicht von vornherein eine kirchliche Bindung haben, sondern sagen: Da wird meine Lebenssituation besprochen, da ist etwas, wo ich andocken könnte.

Zu den regelmässigen Treffen: Wie oft sollen sie stattfinden? Welches Programm planen Sie?
Einmal im Monat ist wohl realistisch. Mir schwebt ein Abendtermin vor. Sollte sich herausstellen, dass die Zielgruppe sagt, sie braucht mehr, wäre sicher vierzehntäglich sinnvoll. Das Programm wird sicher in Richtung Erwachsenenbildung gehen. Es wird Gesprächs- und Vortragsimpulse geben, einen geistlichen Impuls. Ich könnte mir vorstellen, dass wir im Herbst starten.

Dank hoher Lebenserwartung bestehen die Über-50-­Jährigen inzwischen aus mehreren Generationen, die deutlich unterschiedliche Interessen haben…
Ja. Das Stichwort heisst Diversität. Es zerfasert deutlich mehr. Aber nicht nur altersmässig. Es hat auch mit Bildung und Wohlstand zu tun, mit Sozialgefüge. Die Menschen in den Kirchengemeinden, für die ich zuständig bin, sind deutlich bildungsaffiner und wohlhabender als der Durchschnitt der Bevölkerung. Das macht sich auch an den Veranstaltungen fest: Eine der neuen Gemeinden, in der ich Dienst tue, beheimatet den Bezirkskantor. Der führt Bachoratorien und die Matthäuspassion auf. In meiner «alten» Gemeinde sind wir einfacher aufgestellt, mit fröhlicher neuer Musik. Angebote für klare Zielgruppen sind wichtig. Aber es wäre schön, auch etwas gegen diese Zerfaserung der Gesellschaft zu tun. Zum Beispiel durch gemeinsame Veranstaltungen mit der alten Generation.

Einer unserer Kooperationspartner ist ein Diakonissenmutterhaus. Das feiert auf seinem Gelände sowieso ein Sommerfest. Ich kann mir gut vorstellen, unsere Arbeit in so ein schon bestehendes Fest einzubinden. Wenn unsere Gruppe eine gewisse Zeit besteht und eine Kontinuität gefunden hat, könnte so ein Miteinander – zum Beispiel ein gemeinsamer Ausflug – Sinn machen.

Genaueres über «Zwischen Baum und Borke» können Sie ab September bei Werner Bücklein erfagen: werner.buecklein@evkirchepfalz.de.

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Autor: Agnes Wedell
Quelle: Magazin LebensLauf 04/2024, SCM Bundes-Verlag

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