«God is here»: 11'000 Christen feiern Jesus in Augsburg
Vom 4. bis 7. Januar kamen Gläubige aus unterschiedlichen Konfessionen und Nationen Europas zusammen, um gemeinsam Glaubensfragen nachzugehen. Das mit rund 11’000 Besuchern – und zahlreichen weiteren Teilnehmenden per Livestream – ausverkaufte Festival war von tiefer Freude, Friede und Feuer für Jesus geprägt.
Feuer der ersten Liebe
Einige Besucher nahmen über acht Stunden Fahrt auf sich. Das deutete bereits das Commitment an, welches an den kommenden Festivaltagen noch deutlich spürbar werden sollte. Zum Beispiel formierten sich an beiden Seiten des grossflächigen Saales, wo die Besuchenden zu bestimmten Zeiten ein persönliches Segnungsgebet in Anspruch nehmen konnte, stets lange Warteschlangen. Oder die Regale mit den Büchern der Referentinnen und Referenten waren im Gebetshaus-Shop mitten auf dem Messegelände rasant leer gekauft.
Der frühe Verdacht schien sich mehr und mehr zu bestätigen: Der Mehrheit der Teilnehmenden, die aus verschiedenen Glaubensrichtungen – von katholisch bis charismatisch freikirchlich – ging es nicht um eine gute Festival-Zeit. Sie sehnten sich wirklich nach «mehr» Feuer für Jesus. Um dieses Feuer handelte der erste von vier beeindruckenden Vorträgen von Dr. Johannes Hartl, Gründer des Gebetshauses Augsburg, welches das Glaubensfestival veranstaltet. «Wie stark ist dein Feuer im Innern?», fragte er, nachdem Veronika Lohmer mit ihrer Band den Auftakt der «Mehr» machte.
Dasitzen und sich geliebt wissen
Johannes Hartl thematisierte mit seinem humorvollen Scharfsinn das Sendschreiben aus dem Buch der Offenbarung an die Gemeinde in Ephesus und das Geheimnis der bleibenden Begeisterung im Glauben. Wir seien immer in Gefahr, die erste Liebe zu verlieren, da dies schleichend passiere. Man könne sich im Aktionismus verlieren und das Wesentliche verpassen, warnte der Philosoph und Theologe. «Unsere erste Liebe raubt am stärksten unsere Scham», führte er weiter aus. Die ermutigende Nachricht: «Du kannst jederzeit zurück.» Als Vorbild nannte er Maria von Bethanien, die sich einfach zu den Füssen Jesu setzt und zuhört, ohne ihm etwas Besonderes zu bringen. «Sie hält es aus, nichts zu tun» und «sie weiss sich geliebt», hielt Hartl auf der schwarzen Wandtafel auf der Bühne fest.
Auch im Leid ist Gott da
Das diesjährige Motto des Festivals lautete «God is here». An den ersten beiden Tagen des Glaubensfestivals durften sich die Teilnehmenden mit der Glaubenspraxis in Leid und Lebenskrise auseinandersetzen. Persönliche Zeugnisse der Referenten führten vor Augen: Auch in Krisenzeiten ist Gott da.
So nahm beispielsweise Tabitha Bühne, ehemaliges Model und Ultramarathonläuferin, das Publikum mit einer Diashow auf ihren Weg von der Selbstablehnung zur Selbstannahme mit. In ihrem Vortrag erzählte sie mit beeindruckender Ehrlichkeit von einschneidenden Erlebnissen der Kindheit, Glaubenssätzen, ihrem Ringen und davon, wie sie auch später die innere Unruhe nicht loswurde. «Mir ging es gut, aber ich wollte den verdammten Apfel», sagte sie auf der Bühne, auf der sie nun strahlend als kraftvolle Persönlichkeit berichtete, wie sie in diesem Prozess mit Gott zu einem vertieften Glauben fand. Die Autorin ermutigte, auch schwierige Situationen anzunehmen, durchzustehen und das Leben ganz in die Hände Gottes zu legen.
Das Fundament des Lebens
Wie der Glaube in schwierigen Zeiten trägt, weiss auch der Unternehmer Patrick Knittelfelder aus eigener Erfahrung. Sein Vortragstitel «30 Jahre zu Tode gefürchtet und trotzdem am Leben» weckte ebenso Aufmerksamkeit wie seine Art des Storytellings. Er liess die Besucher sich mit der Frage beschäftigen, was hinter der Fassade ihres Lebens-Hochhauses verborgen ist. Wenn Erschütterungen kommen, komme es aufs Fundament an, betonte er.
«Gott hat Null Interesse, deine Probleme zu lösen, aber massives Interesse, dich zu heilen. Gott geht mit dir durchs Rote Meer, er nimmt es nicht weg.» Das haben wohl viele schon im Kindergarten gelernt, kommentierte er sich selbst, doch er habe es lange nicht wirklich verstanden. Nach dem Nachsinnen «im Kopf» sei es nämlich wichtig, das Verstandene emotional durchzuringen. «Das ist mühsam», gab er zu. Doch erst dann könne es zum Kairos-Moment, zum Durchbruch kommen. Mit solchen Durchbrüchen werde durch Jüngerschaft ein starkes Fundament gebaut, die damit beginne, das Vaterherz Gottes zu entdecken. «Das führt dich zu einem starken integrierten Leben», das sich damit auszeichnet, dass sich das Denken, Handeln und Fühlen auf einer Linie befänden.
Viele Facetten und Persönlichkeiten
Zwischen den Vorträgen waren Zeiten der Stille im Gebetsraum möglich oder in den langen Sessions von ruhigem Lobpreis, die dem Festival einen geerdeten Grundklang verliehen. Weitere spannende Persönlichkeiten, die auf der «Mehr» ihr Herz teilten, waren Nick Shakoour, Darsteller von Zebedäus in der Fernsehserie «The Chosen», der sich während der Dreharbeiten bekehrte, und Nicky und Pippa Gumbel, das Gründerpaar von «Alpha».
Kira Geiss, Miss Germany 2023, wurde gemeinsam mit weiteren jungen Christen darüber interviewt, wie man den Glauben selbstbewusst nach aussen tragen kann. Im Gespräch mit Livenet sagte sie, an der «Mehr» sei überwältigend gewesen, zu sehen, wie viele Menschen ein Feuer für Jesus haben. «Mich ermutigt es, zu wissen, da sind viele.» Zum Motto der Konferenz meinte sie: «Für mich gibt es nicht die Unterscheidung: Jetzt ist Gott da, und jetzt ist er nicht mehr da.» Vielmehr sei ihr das Mindset wichtig: «Egal, was ich tue, egal in welcher Situation, ob in Stille oder beim Partymachen: Gott ist mit dabei.» Dass es von ihm auch kein Entkommen gebe, finde sie eine friedvolle Sache.
Blühende Zukunft?
Am Abschlusstag unterzog Hartl die gesellschaftlichen Entwicklungen einer Analyse. In den ersten Kapiteln des Römerbriefes finde sich die bis heute erlebbare Spannung zwischen Anspruch und dem, wie man tatsächlich lebe. Menschen versuchten, mit zwei Scheinlösungen darauf zu reagieren: Entweder moralisiere man und behaupte, man sei besser als andere. Oder der Mensch neige dazu, Ideale einfach abzuschaffen.
Was ist nun die Antwort des Christentums? Der Theologe stellte klar: «Das Christentum ist keine Religion der Moral und Ideale.» Er verwies auf die Worte von Jesus, die davon handeln, dass das Weizenkorn sterben muss. «Das Sterben ist nicht etwas, das wir selber tun.» Es komme also nicht darauf an, sich selbst zu optimieren, sondern sich ohne Vorbedingungen in das Sterben Jesu hineinzuwerfen. Aus diesem Sterben entstehe Auferstehung.
Er schloss mit seinem Verdacht: «In Zukunft werden wir sagen: Das mit dem Christentum war eigentlich eine gute Sache, warum haben wir es uns rauben lassen?» Denn wohin das christliche Menschenbild falle oder das Evangelium komme, bringe es die Wüste zum Blühen. «Und es setzt heilende Kräfte frei, die in die Gesellschaft hineinwirken.» Hartl meinte überzeugt: «Vieles an der Kirche wird verfallen, aber ich glaube an die Kraft von kreativen Minderheiten.»
Das Gebetshaus Augsburg kündigte passend zu dieser Überzeugung im Verlaufe der Konferenz an, sich mehr zu einer Bewegung entwickeln zu wollen. Mit dem Konferenz-Auftakt ins neue Jahr bestehe die Gefahr, viele Teilnehmende mit neuem Feuer angesteckt zu haben, den tieferen Fragen des Glaubenslebens nachzugehen und ernsthafte Entscheidungen für nächste Schritte zu treffen. Gute Voraussetzungen für eine Bewegung, die über Konfessionen hinweg Strahlkraft hat im deutschen Raum.
Das Gebetshaus Augsburg ist eine ökumenische Initiative, die es sich zum Ziel macht, den christlichen Glauben auf zeitgemässe Weise erfahrbar zu machen. Seit 13 Jahren wird im Gebetshaus ununterbrochen gebetet. Seit 2008 findet die «Mehr»-Konferenz statt, die damals mit 70 Teilnehmern begonnen hatte.
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