Dekonstruktion im christlichen Musikbusiness

Die Newsboys
Die christliche Musikszene wird zunehmend von einem Phänomen erschüttert: Künstler, die ihren Glauben hinterfragen, neu definieren oder ganz aufgeben – ein Prozess, der als «Deconstruction» bezeichnet wird.

Michael Tait und Jeff Frankenstein, zwei Mitglieder der legendären christlichen Band «Newsboys», äusserten sich zu diesem Thema. «Wir Christen haben viele Fehler gemacht, wenn wir auf die Geschichten von der Dekonstruktion des Glaubens reagiert haben», sagt Jeff Frankenstein, Keyboarder der Newsboys, offen. «Unser erster Impuls ist oft Verurteilung – aber wir sollten mit Mitgefühl beginnen.»

Jeff Frankenstein beschreibt seine eigene Herangehensweise, wenn er von einem Musiker hört, der seinen Glauben in Frage stellt: «Ich versuche, mich in die Person hineinzuversetzen. Vielleicht habe ich irgendwie versagt, vielleicht hätte ich ein besserer Freund sein können. Das sollte unser Ansatz sein.»

Viele, die ihren Glauben dekonstruieren, hätten als Kinder nie die Möglichkeit gehabt, Fragen über den Glauben zu stellen, sagt Frankenstein. «Ihnen wurde die freie Wahl genommen. Sie wurden nie ermutigt, ihren Glauben selbst in Frage zu stellen.» Der Hauptgrund für die Abkehr vom Glauben sei aber ein anderer: die Heuchelei in der Kirche.

Heuchelei als grösstes Hindernis

«Christen sind oft sehr heuchlerisch», gibt Jeff Frankenstein unumwunden zu. «Das ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum sich Menschen vom Glauben oder der Kirche abwenden.»

Auch Michael Tait, Leadsänger der «Newsboys», verweist auf die zerstörerische Wirkung der Doppelmoral innerhalb der christlichen Gemeinschaft. Er zitiert den Autor Brennan Manning: «Die grösste Ursache für Atheismus in der heutigen Welt sind Christen, die sich mit ihren Lippen zu Jesus bekennen, ihn aber mit ihrem Lebensstil verleugnen.» Diese Diskrepanz zwischen Worten und Taten sei es, die eine «ungläubige Welt» so schwer akzeptieren könne, sagt Tait.

Wenn Talent wichtiger ist als Charakter

Sean McDowell, der das Interview führte, weist auf einen weiteren problematischen Aspekt hin: In der christlichen Musikindustrie sei Talent oft wichtiger als Charakter. «Wir legen mehr Wert auf Können und Talent als auf innere Tiefe und Integrität», so McDowell.

Jeff Frankenstein stimmt zu: «Gerade in der christlichen Musikindustrie vermischen sich Theologie und Geschäft. Diese Mischung ist ein fruchtbarer Boden für Heuchelei.»

Der Verlust der Unschuld

Jeff Frankenstein betont, dass viele Musiker vom Geschäft hinter der christlichen Musikindustrie enttäuscht sind – ein Faktor, der ihren Glauben beeinflusst. «Es gibt ein Muster: Was einmal eine reine, authentische Botschaft war, wird nun vermarktet, manipuliert und in ein System gepresst. Plötzlich geht es um Profit und Kontrolle. Die Unschuld geht verloren.»

Musiker, so McDowell, seien von Natur aus kreative und oft rebellische Geister. Diese Eigenschaften könnten dazu führen, dass sie ihren Glauben häufiger in Frage stellen. Tait stimmt zu: «Unsere Kreativität beeinflusst alle Bereiche unseres Lebens. Wenn sie nicht vom Heiligen Geist geleitet wird, kann sie schnell in die falsche Richtung gehen.»

Zweifel als gesunder Teil des Glaubens

Zweifel an sich seien aber nicht zwangsläufig negativ, betont Tait. «Auch Petrus war ein Zweifler – und trotzdem kannte Gott sein Herz.» Zweifel könnten den Glauben vertiefen, wenn man richtig mit ihnen umgehe.

Tait erzählt, dass er oft nachts im Tourbus liege und Gott Fragen stelle. «Manchmal muss man in der Bibel nach Antworten suchen – die Dinge sind nicht vor uns versteckt, sondern für uns aufgeschrieben.» Wenn Zweifel aufkommen, vertieft Tait sein Gebet: «Gott, zeige mir heute deine Herrlichkeit, sprich zu meinem Herzen.»

Trotz aller Herausforderungen bleibt Tait fest im Glauben verankert. «Der Mensch ist unvollkommen, hat einen freien Willen und neigt dazu, sich zu verirren. Aber für mich und mein Haus gilt: Wir werden auf Gott vertrauen.»

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Autor: Michael Foust / Daniel Gerber
Quelle: Crosswalk Headlines / Übersetzung: Livenet

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