«Schweiz des Nahen Ostens steht vor dem Zerfall»

Der Libanon wird von unterschiedlichen Krisen gebeutelt
Ein kriegsführender Staat im Staat, zerstörte Infrastruktur und eine Million Menschen auf der Flucht: Der Libanon lebt mitten in einer Katastrophe. Christliche Hilfswerke und Gemeinden rufen zu dringender Hilfe auf, um das Land zu stabilisieren.

Eigentlich ist der Libanon eine Perle im Nahen Osten. In den 1950er und 1960er Jahren wurde das Land als «Schweiz des Orients» bezeichnet. Die Hauptstadt Beirut galt bis Mitte der 1980er Jahre als «Paris des Nahen Ostens».

Schon zu biblischen Zeiten war der Name Libanon eng mit seiner prächtigen Natur und Schönheit verbunden. Er wurde im Buch der Bücher besonders im Zusammenhang seinen majestätischen Zedernbäumen gepriesen, die als Symbol für Stärke, Beständigkeit und Pracht gelten (seit 1943 in der Landesflagge festgehalten). Diese Zedern wurden unter anderem beim Bau des Tempels von Salomo verwendet, wie im Buch der Könige (1. Könige Kapitel 5, Verse 20–28) beschrieben wird.

Auch in den Psalmen wird der Libanon oft gepriesen. Psalm Kapitel 92, Vers 13 beschreibt die Zedern des Libanon als ein Bild von Stärke und Fruchtbarkeit: «Wer Gott liebt, gleicht einer immergrünen Palme, er wird mächtig wie eine Zeder auf dem Libanongebirge.»

90'000 Vertriebene

Von diesen positiven biblischen Erwähnungen und dem herausragenden Status vor einigen Jahrzehnten ist heute nicht mehr viel übrig. Vor allem die Hisbollah, die sich zu einem annektierenden Terrorstaat im Staat entwickelt hat, hat die Zedernrepublik in ein heilloses Chaos gestürzt.

Die Hilfsorganisation «Tearfund» berichtet, dass rund 90'000 Menschen im Libanon durch die anhaltende Gewalt vertrieben wurden. Vor allem die israelischen Luftangriffe haben grosse Teile der Infrastruktur zerstört und das ohnehin fragile Land weiter destabilisiert. Das libanesische Gesundheitsministerium spricht von insgesamt einer Million Flüchtlinge, zudem leben 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge im Land (die beiden Zahlen dürften sich teilweise überschneiden).

«Die Menschen im Libanon sind verängstigt und verwirrt, sie erwarten den Tod und die Zerstörung», sagt Safa Hijazeen, Regionaldirektor von «Tearfund» für den Nahen Osten. Besonders die Landwirtschaft ist von der Gewalt betroffen: «Die diesjährige Olivenernte wurde vollständig vernichtet, und die giftigen Rückstände der Bomben machen den Boden für mindestens zehn Jahre unbrauchbar», fügt Hijazeen hinzu.

Nur drei Stunden Strom am Tag

Auch die christliche Gemeinde ist schwer getroffen. Schwester Maya El Beaino von den «Sisters of the Sacred Hearts of Jesus and Mary» beschreibt die Situation als «einfach schrecklich». In der Region Aid Ebel, etwa viereinhalb Kilometer von der israelischen Grenze entfernt, leben rund 9'000 Christen in ständiger Gefahr. «Hier gibt es kein Krankenhaus, kein Rotes Kreuz und nur drei Stunden Strom am Tag», erklärt Schwester Maya. «Viele sind nach Beirut geflohen, aber die hohen Lebenshaltungskosten zwingen sie trotz der Nähe zur Frontlinie zur Rückkehr.»

Trotz dieser schwierigen Bedingungen leisten die lokalen Kirchen und Hilfsorganisationen wie «Kirche in Not» (ACN) unermüdlich Hilfe mit Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung.

Hilfsorganisationen kämpfen gegen den Zusammenbruch

Hilfsorganisationen wie «Help The Persecuted» und «Christian Aid» berichten von einer unermesslichen Not. Ein von «Help The Persecuted» betriebenes Netzwerk von Zufluchtsstätten ist bereits am Rande seiner Kapazität.

«Eine Million Menschen sind auf der Flucht, der Bedarf ist riesig und dringend», sagt Joshua Youssef, der Leiter der Organisation. Neben Nahrungsmitteln und Unterkünften bieten sie auch seelsorgerische Betreuung an.

Julie Mehigan von «Christian Aid» warnt vor massiven Vertreibungen und zivilen Opfern. «Wir stehen am Rande einer weiteren humanitären Katastrophe», sagt sie.

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Autor: Christian Today / Daniel Gerber
Quelle: Christian Today / ergänzte Übersetzung: Livenet

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