«Die schwarze Kirche ist ein schlafender Riese»
Vor fast 30 Jahren gründete Pastor Agu Irukwu das «Jesus House for All Nations» im Norden Londons mit 33 Personen; die Gemeinde wuchs vor Corona auf fast 3000 Menschen an.
Bis vor kurzem leitete er auch den britischen Zweig der «Redeemed Christian Church of God» (RCCG), eine nigerianische Denomination mit schwarzer Mehrheit, die zu den am schnellsten wachsenden Konfessionen des Landes gehört.
Im Jahr 2011 wurde Agu Irukwu, der einst Jura studierte, von der Londoner Zeitung «Metro» zum «inspirierendsten schwarzen Mann» gewählt und er hatte leitende Positionen bei der Evangelischen Allianz (EA) inne.
Agu Irukwu kennt schwere Prüfungen. Seine erste Frau Ify starb im Alter von 40 Jahren, als ihre beiden Kinder gerade zehn und zwölf Jahre alt waren. Sein ältester Sohn, heute 29 Jahre alt, litt ebenfalls an einer lebensbedrohlichen Krankheit, deren Heilung Pastor Agu sowohl Gott als auch medizinischen Experten zuschreibt.
Glaube wächst unter Einwanderern
Jüngste Untersuchungen der britischen Evangelischen Allianz ergaben, dass 25 Prozent der Kirchenbesucher in Grossbritannien eine dunkle Hautfarbe haben. Die britisch-afrikanischen Kirchen sind, wie der Journalist Tomiwa Owolade kürzlich sagte, einige der kraftvollsten, christlichen Gemeinschaften.
Und das britische Portal «Premier» befindet: «Vielleicht ist es an der Zeit, dass sich die britische Kirche fragt: ‘Was können wir von unseren afrikanischen Brüdern und Schwestern lernen?’»
Ein Punkt dürfte das Gebet sein, von welchem Agu Irukwu sagt: «Ich empfehle jedem Christen, ein starkes Gebetsleben zu entwickeln. Es ist der Schmelztiegel unserer Beziehung zu Gott. Daraus ergibt sich alles.»
«Dann ist das in Ordnung…»
Als der Labour-Vorsitzende Keir Starmer und die ehemalige Premierministerin Theresa May Pastor Agu Irukwu besuchten, meinten einige Medien, die beiden sollten einen «homophoben Prediger» nicht unterstützen. Agu Irukwu: «Ich denke, in unserer Zeit ist das ein Berufsrisiko. Wir müssen akzeptieren, dass es ein gewisses Mass an Verfolgung geben wird. Wenn wir es mit dem vergleichen, was in Somalia, Nordnigeria, Pakistan oder Indien vor sich geht, verblasst es zur Bedeutungslosigkeit.»
Weiter ordnet er ein: «Wenn die Medien also ein paar Dinge über einen schreiben, einen beschimpfen und man ein paar Briefe bekommt, die bösartige Wörter enthalten, ist das in Ordnung, verglichen mit jemandem, dessen Frau vor seinen Augen enthauptet wurde oder dessen Kinder von der Schule ausgeschlossen werden, weil sie Jesus dienen.»
Gewichtige Zukunft
Man könne die schwarze Kirche nicht ignorieren, sagt Agu Irukwu. «Sie ist der am schnellsten wachsende Teil der Gemeinde. Politiker werden sich also irgendwie mit uns auseinandersetzen müssen, denn Wahlen drehen sich um Zahlen. Diese Zahlen sind wir. Die schwarze Kirche ist ein schlafender Riese; wenn er aufwacht, ist sein Einfluss erheblich.»
Sein Vorschlag an Politiker und Medien lautet: «Lasst uns an den Punkt kommen, an dem ich eure Position respektiere, ihr meine Position respektiert und wir uns darauf einigen, in bestimmten Fragen unterschiedlicher Meinung zu sein.»
«Die Wahrheit sollte ausgesprochen werden»
Menschen im Westen sind zurückhaltender geworden, explizit über Jesus zu sprechen. Agu Irukwu rät zu mehr Vertrauen. «Die Kühnheit der ersten Christen bewirkte die Verbreitung des Evangeliums. Manchmal haben sie ihr Leben verloren, aber ich denke, die Kirche braucht eine Dosis davon. Die politische Korrektheit geht zu weit. Die Wahrheit sollte – mit Freundlichkeit – ausgesprochen werden. Ich denke, es ist klug, sensibel mit Menschen umzugehen. Aber ich glaube nicht, dass das die Wahrheit verwässern sollte. Ich sollte in der Lage sein, frei zu erklären: ‘Ich bin ein Christ, ich bin ein Liebhaber Jesu’, egal in welchem Umfeld.»
Westen sollte von Afrika lernen
Es scheint, so Agu Irukwu weiter, «als könne die Kirche im Westen viel von der afrikanischen Kirche lernen, wo es ein schnelles Wachstum und einen lebendigen Glauben gibt».
Von der westlichen Kirche könne die afrikanische Kirche Dinge über Leitung und Theologie lernen. Und die westliche Kirche könne einiges über die Verpflichtung zum Gebet lernen und den Glauben, dass Gott Gebete erhört. Oder darüber, dass die Bibel zum Fasten ermutigt, «was in vielen westlichen Kirchen kaum geschieht. Oder zu glauben, dass es nichts gibt, was Gott nicht tun kann, und voller Hoffnung für morgen zu sein, egal wie schlecht der heutige Tag ist.»
Natürlich gebe es auch im Westen kühne, mutige Christen. «Aber als Ganzes macht die afrikanische Kirchenkultur grosse Schritte des Glaubens. Das Schöne ist, wenn die beiden Kulturen aufeinander abfärben.»
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