Was Unternehmen und Kirchen voneinander lernen können

Die Kirche und Unternehmen können in einer Wechselwirkung voneinander profitieren.
Kirche und Unternehmen sind zwei unterschiedliche Organisationstypen mit unterschiedlichen Zielen, Werten und Strukturen. Dennoch können sie voneinander lernen und sich gegenseitig inspirieren, um ihre jeweiligen Herausforderungen zu meistern.

Was Unternehmen von Kirchen lernen können

Vision

Die Kirche hat eine langfristige Vision, die über materielles Wohlergehen hinausgeht. Sie hat einen höheren Sinn und eine spirituelle Berufung, die ihre Mitglieder motiviert und bindet. Unternehmen können sich von der Ausprägung und Umsetzung dieser Vision inspirieren lassen, indem sie ihren Mitarbeitern, Kunden und Partnern ein klares Ziel vermitteln, das über den reinen Gewinn hinausgeht. Dies kann zu mehr Engagement, Loyalität und Innovation führen.

Sinn

In der Unternehmenswelt herrscht seit einigen Jahren der Gedanke einer neuen Art zu arbeiten vor: New Work. Die Arbeit der Zukunft muss mehr Sinn enthalten, mehr persönliche Entwicklung ermöglichen, sozialer Verantwortung Rechnung tragen, persönliche Freiheiten bieten und Selbstverantwortung fördern. Ort und Zeit der zu erledigenden Arbeit spielen hingegen weniger eine tragende Rolle. Insbesondere in den jüngeren Generationen wird bereits bei der Suche nach dem richtigen Arbeitgeber stark auf die nachhaltige, soziale und sinnstiftende Ausrichtung des Wunscharbeitgebers geachtet, wie die Studie «Zukunft der Arbeit – New Work als Heilsbringer?» der Unternehmensberatung #FORTSCHRITT bereits 2022 zeigte. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren verstärkt und führt zu erheblichen Veränderungen im Bereich des Recruitings und auch beim Onboarding neuer Mitarbeitender.

Gemeinschaft

Die Kirche vor Ort ist häufig geprägt von einer engen Gemeinschaft, die auf Werten, Glauben und Traditionen basiert. Sie bietet ihren Mitgliedern Halt, Orientierung und Zugehörigkeit. Unternehmen können vom Umgang der Kirche mit dieser Gemeinschaft lernen, indem sie eine positive Unternehmenskultur schaffen, die auf Vertrauen, Respekt und Zusammenarbeit beruht – und so unter den Mitarbeitenden für mehr Zufriedenheit, Produktivität, Resilienz und Kreativität sorgt. Dies wiederum sind sehr wichtige Faktoren, die angesichts des vorherrschenden Fachkräftemangels für Unternehmen eine zentrale Rolle spielen. Gerade Betriebe im ländlichen Raum haben es schwer, geeignete Fach- und Führungskräfte zu gewinnen. Sind diese erst einmal an Bord, kommt es darauf an, sie zu halten. Der Zusammenhalt unter den Kollegen ist oft der Kitt, der die Unternehmen zusammenhält.

Kommunikation

Die Kirche ist sehr anpassungsfähig und kann sich auf unterschiedliche Kontexte, Kulturen und Zeiten einstellen. Nicht umsonst besteht die christliche Kirche seit Jahrtausenden. Sie nutzt verschiedene Kommunikationskanäle, Formate und Sprachen, um ihre Botschaft zu verbreiten und zu aktualisieren. Unternehmen können diese Anpassungsfähigkeit als Vorbild nehmen, indem sie flexibel auf Veränderungen reagieren, neue Märkte erschliessen und neue Technologien nutzen. Dies kann zu mehr Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Relevanz führen.

Es mag an dieser Stelle ungewöhnlich erscheinen, die Kirche als positives Beispiel für gelungene Kommunikation heranzuziehen. Aber die Realität in deutschen Unternehmen ist oft noch weit von der Kommunikationsfähigkeit der Kirche entfernt.

Was die Kirche von Unternehmen lernen kann

Effizienz

Unternehmen sind ‒ zumindest in der Theorie ‒ sehr effizient, weil sie ihre Ressourcen optimal einsetzen und ihre Ergebnisse maximieren. Sie setzen sich klare Ziele, messen ihre Leistung und verbessern ihre Prozesse kontinuierlich. Die Kirche kann von dieser Effizienz profitieren, indem sie ihre Strukturen vereinfacht, Verantwortlichkeiten klar definiert und die Transparenz erhöht. Allerdings sollte das Streben nach Effizienz nicht zu weit getrieben werden; ein wesentlicher Aspekt von Kirche ist ja gerade, dass nicht alles auf Effizienz getrimmt ist. Das gilt aber nicht für die kirchliche Verwaltung.

Diversität

Unternehmen haben oft eine hohe Diversität, die es ihnen ermöglicht, unterschiedliche Perspektiven, Talente und Erfahrungen zu integrieren und zu nutzen. Sie fördern ein offenes, integratives und vielfältiges Arbeitsumfeld, das Innovation und Kreativität begünstigt. Die Kirche kann von dieser Vielfalt profitieren, indem sie mehr Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund, Geschlecht und Ansichten einbezieht und wertschätzt. Dies kann zu mehr Repräsentativität, Dialog, Verständnis und zu mehr Akzeptanz und damit wieder zu mehr Relevanz in gesellschaftlichen Diskursen führen.

Zielgruppenorientierung

Viele Unternehmen zeichnen sich auch durch eine hohe Kundenorientierung aus, die es ihnen ermöglicht, die Bedürfnisse, Erwartungen und Präferenzen ihrer Zielgruppen zu verstehen und zu erfüllen. Sie bieten individuelle Lösungen an, die einen Mehrwert schaffen und sich von der Konkurrenz abheben. Die so genannte Unique Seling Proposition (USP) beschreibt den Faktor, der das jeweilige Unternehmen von allen anderen Unternehmen im relevanten Markt unterscheidet und zu etwas ganz Besonderem macht. Die Kirche kann von dieser Kundenorientierung lernen, indem sie stärker auf die Anliegen, Fragen und Wünsche der Menschen vor Ort eingeht und ihnen wirklich relevante Angebote macht. In den letzten Jahren hat sich in der evangelischen Kirche in dieser Hinsicht viel getan, aber es besteht weiterhin Bedarf, den Dialog mit den Mitgliedern zu intensivieren, auch über die gemeindliche Arbeit hinaus.

Dialogbereitschaft

Abschliessend lässt sich sagen, dass diese Betrachtung nur die Spitze des Eisbergs ist. Ein kontinuierlicher Dialog zwischen Kirche und Unternehmen wäre an vielen Stellen sehr sinnvoll und sollte über das reine Fundraising für Projekte hinausgehen. Schon jetzt bringen viele Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Erfahrungen in die Kirchengemeinden ein und umgekehrt werden Werte der Kirche mit in die Unternehmen getragen. Daran sollten sowohl Unternehmen als auch Kirchengemeinden anknüpfen!

Zum Thema:
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Autor: Christoph Neumann
Quelle: Magazin echt.evangelisch.engagiert. SCM Bundes-Verlag

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