Der Glaube: Immer verdächtig, aber wirksam
Dr. René Hefti aus Langenthal ist Arzt, Forscher, Dozent und Leiter des Forschungsinstituts für Spiritualität und Gesundheit. Im Gespräch mit Livenet-Chefredaktor Florian Wüthrich geht es um den Zusammenhang von Glaube und Gesundheit und die Frage, ob spirituelle Menschen länger leben.
Der Glaube: Ressource für Gesundheit
«Die Forschung arbeitet intensiv daran, das Leben zu verlängern», sagt Hefti und bei Forschungen zum Verlängern des Lebens habe auch die Frage nach der Spiritualität ihre Bedeutung. «Der Glaube, die Spiritualität kann eine Ressource sein – aber auch einen Belastungsfaktor. Das muss man ehrlicherweise sagen.» Im wissenschaftlichen Kontext müsse dies differenziert werden.
«Jeder, der selbst Erfahrungen mit dem Glauben gemacht hat, weiss, dass der Glaube eine Kraft ist. Eine tragende Kraft. Gerade auch im Krankheitskontext.» Viele Patienten können bezeugen, wie der Glaube ihnen in schwierigen Zeiten geholfen hat. Hefti erwähnt drei Bereiche, in welchen sich der Glaube als Ressource erweist: in Bezug auf die Lebensverlängerung, die Lebensbewältigung und die Heilung.
Forschung bezüglich Spiritualität und Gesundheit
Im Laufe der Zeit nahm sich Hefti vermehrt der Frage an, wie die Spiritualität den Patienten ganz real hilft, Krankheit oder Depression zu bewältigen. «Das führte mich in die wissenschaftliche Auseinandersetzung hinein.» Er entdeckte eine Forschungsrichtung, die sich mit dieser Fragestellung beschäftigt. Der ganze Bereich des «spiritual care» sei anfänglich Teil der «palliativ care» gewesen, wo die tiefsten existenziellen Fragen in besonderem Mass zum Tragen kommen. Doch dann weitete sich die Forschung aus und heute wird beispielsweise der Zusammenhang zwischen hohem Blutdruck und Glaube untersucht. Mit dem Begriff «spiritual care» ist Hefti aber nicht glücklich. «Es handelt sich um einen ganzheitlichen Ansatz, unter Einschluss der Spiritualität.»
Hefti verweist auf das Buch «Handbook of Religion and Health», welches die bisher wesentlichen wissenschaftlichen Studien zusammenfasst. «Es gibt wissenschaftliche, empirische Untersuchungen, die aufzeigen, dass der Glaube eine Ressource ist.»
Nonnen leben gesünder
Im Talk spricht Hefti über verschiedene Studien, die er im Verlaufe seiner Forschungstätigkeit gemacht hat. Eine zeigte beispielsweise auf, dass der Bluthochdruck von Nonnen im Vergleich zu gleichaltrigen Frauen weniger angestiegen war. «Das zeigt, dass ihr religiöser und spiritueller Lebensstil irgendwie in ihre Biologie, ihr Herzkreislaufsystem hineingreift.» Dabei wirken aber natürlich auch Faktoren wie Stress oder Gemeinschaft mit.
«Der Glaube ist immer verdächtig»
Als junger Erwachsener fand René Hefti zum christlichen Glauben. «Während meines Studiums fand ich den Zugang zum Glauben und das hat meine Sicht auf die Medizin verändert. Der Glaube wurde für mich zur persönlichen, tragenden Grundlage.» Diese persönliche Erfahrung führte zu seinem Interesse an der Forschung von Spiritualität und Gesundheit.
Für Heftis wissenschaftliches Ansehen war der Glaube aber längst nicht immer von Vorteil. «Der Glaube ist immer verdächtig», hält er fest. «Wenn ein Arzt seinen Glauben bekennt, kann es schnell heissen, er wolle seine Patienten missionieren und ihnen seinen Glauben überstülpen.» Hefti ist aber überzeugt, dass die Frage nach Glaube und Spiritualität in der Medizin einen Platz hat, ohne dass es gleich um Missionierung geht.
«Ich stehe zu meinem Glauben», hält er fest. «Das finden nicht alle cool, aber ich stehe zu meinem Glauben.» Im Talk schildert Hefti Vorurteile, denen er als «frommer Arzt» zuweilen begegnet.
Die Wirksamkeit der Spiritualität ist belegt
Wenn sich ein gläubiger Arzt wissenschaftlich mit Spiritualität beschäftigt, stehe er unter Verdacht, damit lediglich die Wirksamkeit seines Glaubens aufzeigen zu wollen. Dieser Ansicht entgegenwirkend spricht Hefti von fundierten Daten und weist auf 50 qualitativ hochstehende Studien hin. Deren Gesamtbild zeigt, dass eine gesunde Spiritualität eine verminderte Sterblichkeit zur Folge hat. Da verwundert es, dass die Medizin diesen Sachverhalt nicht vermehrt aufgreift.
Sehen Sie sich den Livenet-Talk mit Dr. René Hefti an:
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