Der neue Lebensstil nach Pfingsten
Das Pfingstereignis markiert den Anbruch dieses neuen Zeitalters. Jeder, der Busse getan und Vergebung empfangen hat, erhält als Geschenk die Gabe des Heiligen Geistes. Jetzt gilt es, dieses Geschenk auszupacken, die darin enthaltenen Gaben zu entdecken und zu erkennen, wie sie in Gottesdienst und Alltag gebraucht werden können. Wie das geht, zeigt uns der Heilige Geist. Paulus betont nicht umsonst, dass wir uns – neben der Liebe – insbesondere auch um die Gabe der Eingebung bemühen sollen.
Bei diesem Geführt-Werden durch den Heiligen Geist sind vier Aspekte zu beachten: die Bedeutung der Zeit, des Materials, der Korrektur und des Gehorsams.
Die Zeit
Die Taube – ein Sinnbild des Heiligen Geistes – ist ein scheues Wesen. Der Heilige Geist ist nicht ein Geier, der sich auf seine Beute stürzt, sondern eine feinfühlige, zurückhaltende und gleichzeitig kraftvolle Person. Demgegenüber bedrängt mich das Alltägliche und lässt mich nicht in Ruhe. Wer Führung durch den Heiligen Geist erleben will, muss deshalb lernen, mitten in den Aggressivitäten des Tages immer wieder still zu werden, um die feine Stimme des Heiligen Geistes überhaupt hören zu können.
Die Stille Zeit ist das klassische Übungsfeld dazu. Ich teile diese «Planungszeit» zu Beginn des Tages oft in drei Phasen ein: Loslassen (was hindert meine Freude an Gott?), Aufnehmen (Bibelstudium, Begegnungen/Ereignisse des Tages im Gebet «durchgehen») und Anwenden (Konsequenzen überlegen und dann umsetzen). Eingebung erlebe ich dabei oft so, dass eine Aussage des Bibeltextes oder eine neue (alte) Erkenntnis für mich plötzlich wichtig werden. Oder: Im Hören auf Gott kommen mir manchmal Gedanken, die sich vom übrigen Ideenwirrwarr deutlich abheben.
In einem Volleyballspiel kann der Mannschaftsführer mitten im Spiel die Zeit «anhalten». Er ruft seine Leute zusammen, macht sie auf Fehler aufmerksam und bespricht mit ihnen die Taktik für das weitere Spiel. Solche «Time-out»-Momente sind auch für mich wichtig, damit mein Spiel nicht ohne Gott läuft. Ich versuche, in Entscheidungssituationen still zu werden – und sei es auch nur für einige Sekunden. Meistens formuliere ich das Problem in einem kurzen Gebet und achte darauf, ob eine Antwort kommt. Ich gebe dem «Mannschaftsführer» so Gelegenheit einzugreifen, wenn er will. Das kann in einer Sitzung beim Formulieren eines Anliegens geschehen, im Zugabteil während einer hitzigen Diskussion oder unterwegs zu einem nächsten Termin.
Alle ein oder zwei Monate plane ich in meiner Agenda einen Stilletag ein. Am Morgen verlasse ich mein Zuhause und bin einen Tag lang zu Fuss unterwegs, sei es spontan in der unmittelbaren Umgebung oder nach einem bestimmten Plan. Ich habe so den Schweizer Jakobsweg in Tagesetappen erwandert und bin dem Lauf der Emme oder der Aare gefolgt. Zur Zeit durchquere ich die Schweiz von Basel nach Chiasso. Dabei geht es nicht darum, lange Strecken zurückzulegen, sondern unterwegs auf den Heiligen Geist zu hören. Über Mittag faste ich, trinke aber unterwegs genügend Wasser. So muss ich die Wanderung – neben kurzen Pausen – nicht länger unterbrechen. Spätestens am Abend notiere ich mir dann die Eindrücke, die mich unterwegs beschäftigt haben.
Vor meiner Pensionierung habe ich mir einmal im Jahr eine Stillewoche gegönnt. Von Montag bis Freitag habe ich mich jeweils in die Ferienwohnung von Freunden zurückgezogen. Morgens und abends ass ich eine einfache Mahlzeit, über Mittag liess ich mich im Restaurant verwöhnen. Dazwischen war ich unterwegs oder arbeitete halbtags an einem grösseren Projekt, für das ich unter dem Jahr keine Zeit fand. Das Lesen und Bedenken der «Losungen» war in dieser Zeit tiefgründiger, die Eindrücke untertags oder beim Arbeiten am Projekt waren meist deutlicher als sonst. Ich notierte mir, was mir klar wurde oder baute die Erkenntnisse direkt ins Projekt ein. Die äusseren Informationen beschränkten sich in dieser Woche auf das Lesen der Tageszeitung, das täglich einmalige Abrufen der Mails – ohne sie vertieft zu bearbeiten – und das Verfolgen der abendlichen Nachrichten im Radio oder im Fernsehen. Am Abend las ich ein spannendes Buch, oft einen Krimi. Und zum Schluss des Tages folgte ein Gedankenaustausch mit meiner Frau am Telefon. Seit meiner Pensionierung habe ich mehr Freiraum, um Elemente dieser Stillewoche in den Alltag einzubauen.
Das Material
Wenn Gott durch den Heiligen Geist mit mir redet, tut er dies nicht im luftleeren Raum. Er braucht meine offenen Ohren. Und nicht nur sie. Ich bin als ganze Person ein Gefäss, das er bei seinem Reden gebrauchen will. Als Schöpfer kann er letztlich alles benutzen, was er je geschaffen hat und heute noch schafft.
Diese «Materialsammlung» benutzt der Heilige Geist, um mich an etwas zu erinnern, das für eine Entscheidung wichtig ist, oder er zeigt mir etwas überraschend Neues, das ich von mir aus vielleicht nie angepackt hätte.
Der wertvollste Schatz meiner «Materialsammlung» ist das bereits gesprochene Wort Gottes, die Bibel. Hier werden viele meiner Lebensfragen modellhaft aufgezeigt und beantwortet. Deshalb ist es wichtig, dass ich dieses «Wort Gottes» möglichst gezielt in meinen «Wortschatz» aufnehme. Ich kann zum Beispiel die Hauptgedanken einer Predigt mitschreiben (passiv zuhören stumpft ab, aktiv aufnehmen verändert), in der Stillen Zeit hie und da Wertvolles notieren oder sogar einige für mich wichtige Verse auswendig lernen. Der Wert von Liturgien, die sich wiederholen, ist gerade in dieser Hinsicht nicht zu unterschätzen.
Christen haben viele Lieder. Einige davon sind vertonte Bibelverse, viele drücken Glaubenserfahrungen aus. Das bewusste Mitsingen und Beachten des Textes bereichert die persönliche «Materialsammlung». Oft geht es mir so, dass ich Gott eine Frage stelle und dann nach Kurzem eine Melodie in mir anklingen höre. Manchmal ist der Text dieses Liedes eine Antwort auf meine Frage!
Verstand und Gefühl werden in den Händen Gottes oft zu einem Gefäss, das er für Eingebungen benutzt. «Geistesblitze» können in der Tat vom Heiligen Geist sein. «Ich habe ein gutes Gefühl dabei» kann mehr sein als eine subjektive Gefühlswallung. Es ist allerdings wichtig, dass ich diese Eindrücke genau prüfe. Der Glaube muss manchmal auch gegen das Gefühl oder den Verstand gewagt werden.
Wir können uns innerlich etwas bildlich vorstellen und träumen Nacht für Nacht. Die meisten Träume sind als reine Verarbeitung des Tages leicht erkennbar. Es gibt aber auch Träume, die deutlich in Erinnerung bleiben, oft auch rätselhaft sind oder sich wiederholen. Auch untertags können wir innerlich überraschend und klar ein Bild sehen, das wir überhaupt nicht «gesucht» haben. Dies alles kann Reden Gottes durch bildliche Eingebung sein.
Auch Umstände, Erlebnisse und Begegnungen werden oft durch den Heiligen Geist in Erinnerung gerufen. Meine Frau muss öfters an bestimmte Personen denken. Sie hat sich angewöhnt, jeweils für sie zu beten oder sie sogar anzurufen. «Du rufst mich immer an, wenn es mir schlecht geht», hiess es dann oft.
Zur Materialsammlung gehört letztlich die ganze Schöpfung Gottes. Sie ist Gestalt gewordenes Wort Gottes, das bis heute gehört werden kann – sogar von Menschen, die wenig bis nichts von Gott wissen. Somit kann auch die Kultur – das, was der Mensch aus der Natur gemacht hat – zu uns sprechen. Dort, wo dies im Sinne Gottes getan wurde, ist dieses Reden aufbauend, im andern Fall kann es uns zumindest ermahnen. So hat mich der Schrei einer Krähe während eines Stilletages an das entsprechende Gedicht von Friedrich Nietzsche erinnert und mich damit auf die Frage verwiesen, die ich meiner Frau stellen musste, nämlich: «Was bedeutet für dich Heimat?» Ihre Antwort zeigte mir, dass wir unser Hausprojekt in der Fremde fallenlassen mussten.
Die Korrektur
Es ist entscheidend, dass wir das Reden Gottes als gereinigte Gefässe erwarten. Wir können nicht bewusst an Sünde festhalten und zugleich Eingebung erwarten. Erst Vergebung macht hörfähig.
Bei der Beurteilung von Eingebungen muss auch unsere Persönlichkeit berücksichtigt werden, und die ist meistens sehr eigenwillig. Deshalb gilt: Lieber keine privaten «Visionen» verwirklichen. Die Korrektur durch andere Christen hilft mir, Eigenes zu unterscheiden von dem, was Gott will. Das Gold der Eingebung muss aus dem Umgebungsgestein des Subjektiven erst herausgelöst werden.
Je nachdem, wer mitbetroffen ist, kann ich zum Prüfen unterschiedliche Menschen beiziehen. In der Regel sind es die Christen, die mir am nächsten stehen – am ehesten also meine Frau oder der Zweierschaftspartner. Ich kann eine Eingebung auch dem Hauskreis vorlegen oder wichtige Fragen zusammen mit meinem Seelsorger prüfen.
Dabei gelten die folgenden biblischen Prüfungskriterien:
- Eingebung stellt sich nicht gegen den allgemeinen Willen Gottes, wie er in der Bibel offenbart ist. Der Heilige Geist widerspricht nicht sich selbst, aber wir öfter ihm.
- Das Reden Gottes hat immer aufbauende Wirkung, obwohl im ersten Moment durchaus auch falsche Vorstellungen zusammenbrechen können. So deckt der Heilige Geist Sünden wie zum Beispiel Unglauben auf, und das ist oft unangenehm. Wenn dieses Prüfen aber zu Selbstanklage und Verzweiflung führt, ist nicht mehr der Heilige Geist am Werk, denn er will mich ja zu Jesus – und zu seiner Vergebung führen.
- Ein drittes Merkmal ist die Einheit der Prüfenden. Wenn meine Eingebung von allen in Frage gestellt wird, darf ich das nicht einfach in den Wind schlagen. Nach dem Prüfen gilt es, das Gute zu behalten und nicht gleich alles zu verwerfen. In einem Gottesdienst hörte ich eine sprachliche Eingebung, die von grammatikalischen Fehlern durchsetzt war. «Spricht denn Gott kein korrektes Deutsch?», fragte ich mich. Unterdessen habe ich gelernt, zu unterscheiden zwischen Gefäss und Inhalt und lasse mich durch Äusserlichkeiten nicht mehr so rasch davon abhalten, Eingebung ernst zu nehmen.
Der Gehorsam
Nach dem Prüfen gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten:
- Von Gott kommt eine eindeutige Antwort. Nun gilt es, damit Ernst zu machen. Erst das Resultat wird letztlich zeigen, ob ich genau zugehört habe.
- Im zweiten Fall höre ich nichts von Gottes Reden. Es kann sein, dass Gott mir nichts Neues zeigt, weil ich auf frühere Eingebungen noch nicht eingegangen bin. Das wäre zu prüfen. Aber auch wenn alle Bedingungen für Eingebung erfüllt sind, kann es sein, dass Gott schweigt. Er lässt mich allein entscheiden. Wenn es die Situation erlaubt, kann ich warten, bis ich mehr weiss. Im andern Fall beachte ich den allgemeinen Willen Gottes und tue das Nächstliegende.
- Schliesslich gibt es Zweifelsfälle: War das Gottes Stimme, oder ist dies nur meine Lieblingsidee? Hier würde ich je nach persönlicher Veranlagung entscheiden. Ein Draufgänger sollte die vermeintliche Eingebung eher zurückstellen und warten, bis sie klarer wird. Zurückhaltende hingegen dürfen handeln und sehen, ob sich die Eingebung im Ergebnis bestätigt.
Führung durch den Heiligen Geist verlangt in jedem Fall vertrauensvollen Gehorsam. Wer den Willen Gottes nur wissen, aber ihn nicht tun will, wird mit der Zeit taub werden für Gottes Stimme. Ich kann mich auch so stark auf spezielle Eingebungen konzentrieren, dass ich den allgemeinen Willen Gottes – die Bibel – vernachlässige. Dies führt zur Schwärmerei.
Lernschritte tun
Es ist packend zu lesen, wie Gott Menschen führt, sei es in der Bibel oder in der heutigen Zeit. Trotzdem dürfen wir uns mit den persönlichen Führungen anderer nicht einfach identifizieren. Ausserbiblische Biographien heben oft nur die Höhepunkte hervor und verschweigen die Durststrecken dazwischen. Zudem ist jeder von uns ein Original, aus dem Gott etwas ganz Besonderes formen will.
Der Heilige Geist führt uns in der Regel wachstümlich, Schritt um Schritt: Ich horche und Gott zeigt etwas Neues. Darauf gehorche ich und nehme dabei Korrekturen ernst. So lerne ich immer besser, die Stimme des Heiligen Geistes von Nebengeräuschen zu unterscheiden. Damit kann ich mich weiter auf den Weg machen – als Jünger von Jesus, der mich in seine Nachfolge gerufen hat.
Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Forum für integriertes Christsein
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