Mehdi Zolfeqari – ein «ganz normaler» Flüchtling
In einem sehr unaufgeregten, positiven Beitrag der Reihe «Nah dran» stellte der MDR Mehdi Zolfeqari (19) vor kurzem vor. Sicher ist es weder sinnvoll noch möglich zu bestimmen, wie viele Flüchtlinge nun so sind wie er. Und wie viele Kirchen und Gemeinden einen tatsächlichen Anteil an ihrer Integration haben. Gleichzeitig zeigt der Bericht über den jungen Mann, wie konstruktiv solch eine Begegnung Flüchtling – Gemeinde sein kann. Dies ist seine Geschichte.
Ein ganz normales Flüchtlingsschicksal
Im europäischen Westen ist das Kapitel Afghanistan weitgehend abgehakt. Die meisten Schutztruppen haben das Land inzwischen verlassen. Doch Normalität ist damit noch längst nicht eingekehrt. Im Gegenteil: Das Machtvakuum sorgt für ein neues Erstarken der Taliban. Gewalt und Tod gehören zum Alltag. Mehdi Zolfeqari tat dasselbe wie Hunderttausend Landsleute und floh. Mit 16 Jahren verliess er seine Heimat und kam über den Iran und die Türkei nach Europa. Er bezahlte Schlepper für seine Flucht und die letzte Etappe von Griechenland nach Deutschland lief er zu Fuss. Hier stellte er seinen Asylantrag, der noch nicht entschieden ist. Seit nunmehr anderthalb Jahren lebt der junge Mann im thüringischen Jena. Einen Sprachkurs konnte er noch nicht besuchen, doch er spricht längst gut Deutsch – und wie! Freundlich zuckt er im Fernsehinterview die Achseln und meint: «Das hab ich einfach selbst gelernt… Wenn ich in Deutschland lebe, dann muss ich einfach die Sprache können.»
«Bildungshungrig»
Mehdi hat bisher kaum Schulbildung und erst recht keinen Abschluss. Er sammelte eher praktische Erfahrungen, half in der Landwirtschaft, baute Häuser. Ab und an besuchte er die Koranschule. Inzwischen ist er in einem berufsvorbereitenden Jahr und auf dem Weg zu seinem Hauptschulabschluss. Hier stehen Mathematik und Deutsch im Vordergrund, nicht der Koran. Das bedeutet viel Neuland für den jungen Afghanen, doch seine Mathematiklehrerin bescheinigt ihm trotz fehlendem Schulabschluss «viel anderes Wissen» – nicht zuletzt Kopfrechnen.
Und in der Klasse kommt der ruhige, freundliche Mehdi sehr gut an. Sein Traum geht allerdings weit über einen Hauptschulabschluss hinaus: Er will später Medizin studieren. Dieser Wunsch entstand schon in Afghanistan, als ausländische Ärzte in sein Dorf kamen, um den Bewohnern zu helfen. Genau das will Mehdi Zolfeqari auch und stürzt sich deshalb voller Elan in die Schulaufgaben. Im Fernsehbericht unterstreicht einer seiner Lehrer, wie «unwahrscheinlich angenehm für einen Lehrer» solch ein Bildungshunger sei.
Ein neues Zuhause
Mehdi Zolfeqari fand in Deutschland nicht nur einen neuen Zugang zur Bildung. So etwas wie eine neue Heimat in der Fremde fand er in der Landeskirchlichen Gemeinschaft in Jena. Er erklärt: «Alle haben mir geholfen, seelsorgerlich und mit der Sprache. Die Sprache habe ich nur in dieser Gemeinde gelernt.» Die Gemeinde unterstützte ihn auch dabei, den Schulplatz in Jena zu finden. Kein Wunder, dass er sich hier auch bei den Sprachkursen für neu angekommene Flüchtlinge engagiert. Fast nebenbei lernte Mehdi Jesus kennen und liess sich inzwischen taufen. Noch ist es offen, wie sein Asylverfahren ausgehen wird, doch Mehdi glaubt an sein neues Ziel.
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Datum: 07.04.2016
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / MDR