Haben wir eine Bibelbastelbogen-Mentalität?

Einige BAstelutensilien
Wie gehen wir mit biblischen Passagen um, die uns nicht ansprechen oder unserem Denken sogar zuwiderlaufen? Auf jeden Fall gilt es, sich bewusst zu sein, dass Gott grösser ist als unser Denken und Verstehen.

In der Nummer «Der neue Bibabo» priesen die Komiker von Nimmzwei (später: Superzwei) in den Neunzigerjahren den Bibelbastelbogen an – eine Bibelausgabe mit vorperforierten Seiten, wodurch unliebsame Texte einfach herausgetrennt werden können.

Das geht mich nichts an – oder etwa doch?

Bei der humorvollen Darbietung von Nimmzwei mögen die meisten Hörer schmunzeln und dabei denken «Das geht mich nichts an». Tatsächlich käme es ihnen nie in den Sinn, Teile aus der Bibel zu entfernen, um sich eine «Heilige Schrift» nach eigenem Geschmack zusammenzuschustern. Bei vertieftem Nachdenken mögen sich ehrliche Zuhörer aber fragen, ob die Nummer nicht auch für ihr Leben ein Fünkchen Wahrheit beinhaltet.

Haben wir nicht alle irgendwelche Bibeltexte, welche uns irrelevant erscheinen, Abschnitte, die wir gerne überfliegen oder beim Lesen denken «Zum Glück geht mich das nichts an»? Und wenn wir schon Aussagen oder Textteile der Bibel als nichtrelevant betrachten, könnten wir sie denn nicht genauso gut aus unserer Bibel entfernen? Schustern wir uns vielleicht doch eine persönliche «Heilige Schrift» zusammen?

Die ganze Bibel als heilig betrachten

Oft neigen wir dazu, unsere Theologie über die Bibel zu stellen. Damit legen wir eine Wertung in die Bibel und beurteilen entsprechend, welche Texte wichtig sind und welche nicht. Heute führen beispielsweise theologische Grundsätze dazu, Aussagen über Israel als Nation oder den Apell zum Gehorsam als überflüssig zu betrachten. Und Schilderungen von Heilungen und Dämonenaustreibungen oder Aufforderungen zum Unterordnen könnten als überholt und deshalb irrelevant bezeichnet werden. Auch die Lehre über endzeitliches Geschehen betrachten manche Gläubige als irrelevant, weil sie davon ausgehen, dass dies alles ohnehin erst eintritt, nachdem sie diese Welt verlassen haben.

Wenn es um Gottes Wort geht, sollte nichts als irrelevant gehalten werden. Jesus sagte, er sei nicht gekommen, um irgendetwas aus dem Alten Testament aufzulösen (Matthäus Kapitel 5, Vers 17) und gab an, dass seine Worte von ewiger Gültigkeit seien (Matthäus Kapitel 24, Vers 35). Für Christen ist es wichtig, sich völlig unter Gottes Wort zu beugen. Wir brauchen die Einstellung, dass die Heilige Schrift vollkommen ist, unsere Meinung und Erkenntnis aber mangelhaftes Stückwerk. Es liegt eine Kraft darin, Gott als Autorität anzuerkennen und dies äussert sich darin, dass wir sein Wort ernst nehmen. Und genau in diesem Respekt Gott gegenüber haben wir letztlich grossen Gewinn für unser Leben.

Gott ist grösser als unser Denken

Zu manchen Teilen der Bibel finden wir nur schwer Zugang. Seitenlange Stammbäume fesseln uns vielleicht nicht und wir mögen auch nicht verstehen, welche Bedeutung die detaillierte Schilderung des dritten Tempels, welche wir bei Hesekiel über mehrere Kapitel hinweg finden, für unser Leben hat. In der Bibel erfahren wir, dass Gottessöhne die Riesen zeugten oder dass Gott seinem Volk anordnete, andere Völker auszulöschen. Was machen wir mit solchen Texten? Sind wir nicht versucht, solche Texte als irrelevant abzutun?

Tatsächlich können Bibeltexte irritieren. Sie können auch provozieren, verwirren oder langweilen. Und trotzdem sind die Texte da, weil Gott es so will – diese Überzeugung teilen Christen jedenfalls. Wenn wir jedoch gewisse Aussagen oder Textteile der Bibel nicht einordnen können oder der Wortlaut unserem Denken widerspricht, fühlt sich unser Verstand gekränkt. Das ist aber kein Grund, diesen Texten Relevanz abzusprechen. Es genügt, wenn wir bekennen, dass wir irritiert sind und nicht verstehen. Dabei dürfen wir gewiss sein, dass Gott und sein Wort grösser sind als unser Denken und Verstehen.

Schluss mit der Bibelbastelbogen-Mentalität

Wir mögen unsere Lieblingsverse und Texte in der Bibel haben. Das ist auch gut so. Das ist aber kein Grund, anderen Texten etwas absprechen. Wir müssen nicht bewerten, welche Teile der Bibel wichtiger sind als andere und auch nicht, welche uns heute nichts mehr zu sagen haben. Seien wir demütig und bekennen, dass wir für solche Urteilssprüche nicht qualifiziert sind. (Das schliesst nicht aus, dass wir Texte im Zusammenhang der ganzen Bibel zu verstehen lernen – in diesem Fall sprechen sie ja auch wieder neu zu uns.)

Grundsätzlich freuen wir uns über alles, was wir in der Bibel lesen und worin wir Gottes reale Kraft erkennen. Dabei können wir beim Lesen (oder Hören) immer wieder neue Schätze entdecken – Passagen, die nicht nur unser Herz erwärmen, sondern unser Leben erfrischen und uns eine neue Richtung geben. Und vielleicht sind es gerade die irritierenden und unverständlichen Texte von heute, welche uns in einigen Jahren zum wertvollen Schatz werden. Verbauen wir uns diese Möglichkeit nicht durch eine Bibelbastelbogen-Mentalität!

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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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