Für ein gelingendes Miteinander in der Kirche

Für ein «Miteinander» das alle einschliesst.
Menschen mit dem Asperger-Syndrom haben es in unserer Gesellschaft meist schwer. Viele Betroffene leiden auch in christlichen Gemeinschaften oder bleiben ihnen überhaupt fern. Hierzu ein paar Gedankenanstösse.

Eine Selbsthilfegruppe der Vineyard Bern für Angehörige von Menschen mit dem Asperger-Syndrom organisierte für Livenet eine Austauschrunde, bei welcher Betroffene einen Einblick in ihr Leben und ihre Herausforderungen gaben. In einem ersten Artikel ging es um einen allgemeinen Einblick ins Leben mit Asperger. Der vorliegende Artikel möchte Gedankenanstösse für ein gelingendes Miteinander in christlichen Gemeinschaften geben.

Asperger in christlichen Gemeinden

Menschen mit dem Asperger-Syndrom sind unterschiedlich. Ihr Umfeld auch. Einige finden in einer christlichen Gemeinschaft Annahme und Zugehörigkeit, während für andere die Kirche eine weitere Erfahrung von Ablehnung und Schmerz ist. Ein Betroffener berichtet: «In der Gemeinde wurde ich, wie schon früher in der Schule, nicht angenommen und auch nicht verstanden. Meine Fragen wurden als rebellisch betrachtet.» Dass kritische Fragen nicht gestellt werden dürfen, ist für einen Asperger schwer verständlich.

Kirchen sind stark auf Gemeinschaft und das Soziale ausgelegt. Eine Mutter erzählt, wie ihr Sohn (Asperger) hierzu keinen Zugang hat. «Wieso soll ich dorthin gehen?», habe er gefragt. Die Woche sei ohnehin schon anstrengend genug. Wieso sollte er – ohne ersichtlichen Nutzen – zusätzlichen Stress über sich ergehen lassen?

Traurigerweise fühlen sich viele Menschen mit dem Asperger-Syndrom in Kirchen fremd oder sogar abgelehnt. Ihre oft direkte Kommunikation lässt das gesellschaftlich geforderte Feingefühl vermissen und das Hinterfragen von Dingen, welche ihnen unlogisch erscheinen, überfordert viele. Die Folgen sind Distanzierung oder Konflikte, welche viele zum Verlassen der Gemeinschaft bewegen.

Was es zu bedenken gilt

Die Thematik ist komplex. Die folgenden Punkte könnten jedoch im Umgang mit Betroffenen helfen.

  • Asperger brauchen eine klare Kommunikation. Dinge «durch die Blume» andeuten, das Verwenden von Metaphern oder sarkastische sowie ironische Bemerkungen sind irritierend und werden nicht verstanden.
     
  • Personen mit Asperger brauchen Annahme (wie alle Menschen). Diese klar zu formulieren und praktisch auszudrücken, kann sehr heilsam sein. Entgegen landläufiger Meinung ist es nicht so, dass sie keinen Kontakt zu anderen Menschen wünschen. Sie pflegen gerne Gemeinschaft, sofern sie dabei nicht durch Reizüberflutung und Unverständnis überfordert werden.
     
  • Der emotionale Zugang zum Glauben ist oft schwach ausgeprägt. Deshalb haben Asperger Mühe mit langen, emotionalen Worship-Zeiten. Das gilt es zu akzeptieren. Es hat nichts mit Geistlichkeit zu tun.
     
  • Asperger nehmen Aussagen wörtlich. Im Gegensatz zu vielen Gottesdienstbesuchern tun sie «fromme Floskeln» nicht einfach als solche ab, sondern nehmen das Gesagte wortwörtlich und suchen nach Logik und Kongruenz zum Gemeindeleben.
     
  • Logik ist wichtig. Für viele Asperger ist es wichtiger, dass eine Predigt eher auf Fakten beruht, als auf berührenden Storys. Ihre Feedbacks könnten für den Prediger wertvoll sein.
     
  • Viele Asperger fühlen sich unter vielen Menschen unwohl. Wenn es in Gemeindegebäuden ruhige Zonen gibt, könnten Asperger und auch andere Menschen profitieren.
     
  • Wenn Asperger sich für biblische Themen interessieren, setzen sie sich intensiv damit auseinander und eignen sich dabei ein enormes Wissen an. Vielleicht könnte die Gemeinde davon profitieren!?
     
  • Einige Asperger fühlen sich in grösseren Gruppen wohl, sind einfach dabei und hören zu. Für viele sind aber Einzelgespräche oder kleine Gruppen die beste Gemeinschaftsform.
     
  • Grundsätzlich sind technische Dinge für Asperger einfach zu verstehen. Viele bringen sich gerne und mit viel Ausdauer in entsprechenden Bereichen ein (Mischpult, Einrichten von Lautsprecheranlagen, Haustechnik usw.).
     
  • Für einen guten Umgang mit Menschen mit dem Asperger-Syndrom ist eine Sensibilisierung wertvoll. Es hilft zu verstehen, wie Betroffene funktionieren.
     
  • Menschen im Umfeld von Aspergern sollten lernen, die ehrliche, gradlinige und manchmal unbequeme Art der Betroffenen nicht als Angriff zu werten. Auch sollte man es nicht persönlich nehmen, wenn sie gesellschaftliche Anlässe meiden. Wenn man begriffen hat, wie anstrengend solche Situationen für Asperger sind, kann man ihre Zurückhaltung besser einordnen.

Ein Gedanke zum Schluss

Unsere Gesellschaft funktioniert zunehmend über Emotionen und das logische, wissenschaftliche Denken verliert an Bedeutung. Für Asperger ist diese Entwicklung schwierig. Sie denken logisch und abstrakt und haben weniger Zugang zu emotionalen Informationen, wie sie heute über die Medien oder in Kirchen vermittelt werden.

Diese Entwicklung kann das Gefühl von Asperger-Betroffenen, fremd zu sein, in Zukunft verstärken. Die Kirche sollte deshalb aber nicht von den «armen Aspergern» sprechen, sondern deren «Betriebssystem», das eine wertvolle Korrektur geben kann, dankbar annehmen. Auch wenn Gespräche zuweilen (für beide Seiten) etwas anstrengend sein mögen, kann der Austausch für alle Beteiligten eine Bereicherung werden.

Rückmeldungen und Fragen zum Thema dürfen gerne an asperger@vineyard-bern.ch gerichtet werden.

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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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