Weiser, warmherziger Winzer

Bruno Martin, 61 Jahre alt, wohnt in Ligerz, ist von Beruf Winzer
Bruno Martin aus Ligerz ist Winzer, Unternehmer und Politiker. Plötzlich alleinerziehend, kümmert er sich jahrelang aufopfernd um seine Jüngste, die an Cystischer Fibrose litt.

«Meine Traumberufe waren Winzer und Langlauflehrer», erinnert sich Bruno Martin. Die Eltern führten in Ligerz den Weinbaubetrieb der Grosseltern weiter und unterhielten im Winter ein Carnotzet. In dem kleinen Kellergewölbe wurden gute Flaschen gelagert und genossen. Um Abstand zu seinem Vater zu gewinnen, der manchmal zu tief ins Glas schaute, erlernt Bruno in Berneck zunächst den Beruf als Fassbauer. Dem Einfluss seiner Grosseltern verdankt er es, gute Entscheidungen zu treffen.

Bruno Martin erzählt: «Mein Bruder und ich wurden als Kinder oft von unserer Grossmutter betreut. Ohne grosse Worte zu machen, aber mit einem weiten, weichen Herzen, gab sie mir das Erbe ihrer hugenottischen Vorfahren weiter.» Die Hugenotten waren im 16. Jahrhundert aufgrund ihres christlichen Glaubens brutal aus Frankreich vertrieben worden. Einige liessen sich in Ligerz als Rebarbeiter bei Klostergütern und Patrizierfamilien nieder. Typische Familiennamen sind Louis, Clénin – und Martin.

Reben und Sport

Nicht nur in der eigenen Familie bekommt der Winzersohn früh mit, wohin übermässiger Alkoholkonsum führen kann: «Ich sah etliche Familien daran zerbrechen …» Da er sich sportlich betätigt und schon mit 16 Jahren Marathon trainiert, beschliesst Martin, ganz aufs Trinken zu verzichten. «In meiner Freizeit als Jugendlicher war ich am Laufen oder stand auf den Langlaufskiern», erklärt er und lacht. Mit 18 Jahren absolviert Bruno Martin seinen ersten Marathon, unterdessen sind es 40. Dazu kommen Waffenläufe im Militär und die Ausbildung zum J+S Experten für Langlauf.

Statt für seine Traumberufe in die Ostschweiz zu ziehen, folgt Martin 1982 dem Wunsch seiner Grossmutter, übernimmt 20-jährig den Weinbaubetrieb der Grosseltern. Ein Jahr später kauft er ihnen diesen ab. Er blickt zurück: «Mein Grossvater hat mich immer wieder in die Reben mitgenommen und mich in einen naturnahen Rebbau eingeführt.» Mit viel Freude führt Martin diese Tradition weiter, stellt 1990 auf Bioproduktion um und ist sehr erfolgreich damit. Mehrfach wurden Martins Weine ausgezeichnet.

«Dann kümmerte ich mich allein um die Kinder.»

Bruno Martin im Weinkeller

Familiengründung

1986 heiratet Bruno und wird Vater von vier Kindern. Neben Familie und Arbeit leitet er weiterhin Langlauflager. 1997 kommt Leslie-Ann, die Jüngste zur Welt. «Sie war ein Wunschkind», erklärt er. Das Mädchen leidet an der Lungenkrankheit Cystische Fibrose, die Betreuung der Tochter kostet sehr viel Kraft. «Meine Frau war öfters einige Tage weg, um sich zu erholen», sagt Bruno. «Dann kümmerte ich mich allein um die Kinder.» Leslie-Ann muss mehrmals pro Tag inhalieren, die Symptome der Krankheit plagen sie. Aus Erkältungen entstehen rasch Lungenentzündungen, die lange Spitalaufenthalte mit sich bringen.

Leslie-Ann versäumt oft die Schule, verbringt schliesslich ihre halbe Lebenszeit in Kliniken. Derweil kümmert sich Bruno Martin intensiv um seine Jüngste. «Oft habe ich nachts mit der Stirnlampe die Reben geschnitten», hält er fest. Als Leslie-Ann sechs Jahre alt ist, verlässt die Mutter ihre Familie. Martins Mutter Marianne und seine älteste Tochter Carina, die gerade in die achte Klasse kommt, unterstützen den nun alleinerziehenden Vater. Die beiden Söhne können bald darauf auswärts ihre Ausbildungen beginnen. Mit neu geschenkter Kraft setzt Bruno eine weitere Vision um. Um die nachwachsende Ressource Holz nachhaltig zu nutzen, gründet und baut er 2012 einen Fernwärmeverbund in Ligerz.

Neue Lunge

Als Leslie-Ann 15 Jahre alt ist, wird ihr eine neue Lunge transplantiert. Ihr Körper erholt sich rasch, sie blüht auf. Sie holt einen Teil des verpassten Schulstoffs nach, beginnt eine KV-Lehre und bestellt drei Jahre später glücklich den Lehrfahrausweis. Doch dann fühlt sie sich plötzlich nicht mehr wohl. «Päppu, wir müssen ins Spital», erklärt sie an einem Herbstabend 2015. Im Unispital Zürich stellt man fest, dass die Immunsuppression versagt hat – die Lunge wird abgestossen. Eine zweite Transplantation ist mit einer Wartezeit von 400 Tagen verbunden. Für Leslie-Ann eine unmögliche Zeitspanne. Ihr Vater erfüllt ihr den grössten Wunsch: Gemeinsam reisen sie auf die Malediven. «Sie konnte kein einziges Mal schnorcheln», erzählt Martin bewegt. Mit
18 Jahren stirbt seine geliebte Tochter.

«Indem ich mich bewusst auf Jesus ausrichtete, habe ich immer mehr zur Ruhe gefunden.»

Neues Glück

«Ein Jahr lang war ich wie betäubt, ging nicht unter die Leute», erinnert sich Bruno Martin. Dann hilft er einem Freund, den Jubiläums-Apéro seiner Firma auszurichten. Am späteren Abend entdeckt er eine Frau, die ihn sofort fasziniert. «Ihre Ausstrahlung zog mich an – und sie trank wie ich nur Wasser.» Aus diesem ersten Kontakt mit Bea wird mehr. Sie beginnen, einander zu schreiben, lernen sich kennen. Beas respektvoller Umgang mit Menschen und die Barmherzigkeit, mit der sie ihrem Umfeld begegnet, beeindrucken Bruno. Auch ihre Zuwendung und Pflege für ihren schwer behinderten Bruder berühren Bruno tief.

An seinem Geburtstag wünscht er sich, einen ganzen Tag mit ihr zu verbringen. Bea nimmt ihn zuerst mit in einen Gottesdienst ihrer Freikirche. «Ich fühlte mich sofort wohl dort», erinnert sich Martin. Bea lebt die christlichen Werte und hat ebenfalls «schöne braune Augen», wie seine Grossmutter und wie Leslie-Ann. Immer öfter besuchen die beiden gemeinsam die Gottesdienste, lesen in der Bibel und tauschen sich mit anderen Gläubigen darüber aus. «Ich lebte schon immer fest verbunden mit der Schöpfung», stellt Bruno Martin fest. In seinem Beruf sei das gar nicht anders möglich. Er resümiert: «Indem ich mich bewusst auf Jesus ausrichtete, habe ich immer mehr zur Ruhe gefunden.»

Vielfältiges Engagement

«Das Umfeld prägt die Erziehung», weiss Bruno Martin. «Unsere Aufgabe ist es, unser Land zu hegen und zu pflegen und ein gesundes Erbe weiterzugeben.» – Wissen und Weisheit, die ihm seine Grossmutter vermachte. Heute kultiviert Martin seinen acht Hektare grossen Biobetrieb, baut «Bio
Suisse» mit auf, den Dachverband der Bio-Landwirte, und leitet deren Fachkommission Spezialkulturen.

Seit 2019 politisiert Bruno Martin im Grossrat, bisher für die Grünen, neu für die EDU. Er macht sich stark für eine nachhaltige Bodennutzung, pestizidfreies Trinkwasser und ein gutes Bildungs- und Gesundheitswesen. Auch diesen Aufgaben widmet sich der sechsfache Grossvater mit viel Herzblut.

Mehr Informationen über Bruno Martins Weinbaubetrieb finden Sie hier

Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: HOPE-Regiozeitungen