Heilandsandalen und Himmelsenergie
«Ich liebe es, wenn man um die Ecke denken muss», sagt Markus Graf und schmunzelt. Seit zehn Jahren arbeitet der 51-Jährige als Kirchgemeindeschreiber in der Evangelischen Kirchgemeinde Wil SG. Zu seinen Aufgaben gehört die Öffentlichkeitsarbeit. Sehr gern weist er auf das vielseitige Angebot der Kirche hin; vom Kind bis zur Seniorin ist für alle etwas dabei. Plakate und Werbebanner zu lancieren, die mit einem Augenzwinkern auf den Glauben an Jesus oder auf wohltuende christliche Rituale hinweisen, bereitet ihm grosse Freude. Letzten Sommer prangten zwei Plakate in der Badi. Eines zeigte Füsse in «Heilandsandalen», die auf dem Wasser gehen, darunter keck getextet: «War er wasserscheu? Wir stellen uns Ihren Fragen!» Das andere bot optisch eisige Abkühlung. Zu sehen war die Kirche mit Schnee und der Vermerk: «Kein Saisonbetrieb – sogar an Weihnachten offen!»
Lehrer und Leerlauf
Der Besuch von Sonntagsschule und Cevi, das Bibelstudium mit Kommilitonen sowie Ausbildungskurse zum Cevi-Leiter prägten Markus. Sie trugen dazu bei, dass ihm Jesus mehr und mehr zum Vorbild wurde. Sein Glaube motivierte ihn auch während seiner Tätigkeit als Primarlehrer und später in der Tourismusfachschule Samedan. «Danach fand ich während einiger Monate keine Stelle. Ich weiss nun, wie sich das anfühlt», erklärt Markus und fügt an: «Ein Beruf vermittelt Identifikation – es ist schwer, jemanden einzuordnen, wenn er von seiner Arbeitslosigkeit erzählt.» Damals 30 Jahre alt, war er herausgefordert, den Tag zu strukturieren, um nicht antriebslos und gleichgültig zu werden.
Rosa Wolken in den Bergen
Beim Sportsekretariat der Stadt Wil fand Markus schliesslich eine interessante Stelle war als Leiter Sport für die Sportanlagen zuständig. Das passte, fährt er doch gern mit dem Velo zur Arbeit, liebt Wanderungen und Skitouren. Auf einer solchen mit dem Cevi Alpin lernte Markus seine Frau Sidonia kennen. 2021 Jahren heirateten die beiden und sind nach wie vor gern in der Natur und in den Bergen unterwegs. «Wir wanderten in der Schweiz schon tagelang von Hütte zu Hütte, ohne einer Menschenseele zu begegnen – herrlich!», bekräftigt Markus. Nach zehn Jahren im Sportsekretariat packte ihn wieder die Lust auf Neues. Er war mutig: «Als ich kündigte, hatte ich noch nichts in Aussicht, aber ich vertraute darauf, etwas Passendes zu finden.»
Kirche, Kaffee, Klartext
Seit längerer Zeit hatte sich Markus als Freiwilliger in der Evangelischen Kirchgemeinde Wil SG engagiert. Dass sie zum Glauben an Jesus einlädt, Lebensmittel an Bedürftige verteilt und Veranstaltungen für unterschiedliche Interessens- und Altersgruppen anbietet, fasziniert ihn bis heute. Markus startete eine Blindbewerbung und landete einen Treffer. Im Sommer bildet der Platz vor der Kirche mit seinen bunten Stühlen einen beliebten Ort der Begegnung. Ein Schrank voller Lesestoff steht bereit, Leute kommen zum Kaffeetrinken, Kinder zum Spielen, Passanten für einen kleinen Plausch, man trifft sich zum Grillieren. Markus fügt an: «Ein Input, in dem auch ‹Futter für die Seele› geboten wird, gehört bei unseren Anlässen immer dazu.» Dies auf den Einladungen zu vermerken, ist ihm wichtig. «Wir sind Kirche und reden über den Glauben. Wer sonst, wenn nicht wir? Tun wir dies nicht mehr, werden wir überflüssig.» Die Erfahrung zeigt, dass die Anwesenden gern Impulse mitnehmen, die über einen gefüllten Magen hinausgehen.
Potenzial und Publizität
Markus schätzt die Zusammenarbeit mit Pfarrpersonen, Diakoninnen, Mesmern, Katechetinnen und Freiwilligen und knüpft dieses Netz fröhlich weiter. «Wir sind die Schnittstelle, koordinieren, unterstützen und gestalten gemeinsam», erklärt er. Die vielseitigen Aufgaben entsprechen ihm. Er ist einer, der stets neue Möglichkeiten sucht und sieht, Chancen nutzt. Als beschlossen wurde, das Kirchendach mit Solarpanelen auszustatten, erkannte er das Potenzial des Baugerüsts als Werbeträger für einen positiven Slogan. Flugs war dieser formuliert, er lautete: «Unsere Energie kommt von der Sonne – und von weiter oben…». Das grosse PVC-Banner erregte offenbar Aufsehen; am Tag des 10-Jahre-Jubiläums des neuen Kirchgemeindehauses war es verschwunden. Dazu der Kirchgemeindeschreiber: «Wir waren so in die Festvorbereitungen vertieft, dass wir den Diebstahl zunächst nicht bemerkten.» Später wurde für Ersatz gesorgt. Markus freut sich, wenn seine Plakate Reaktionen erzeugen – am liebsten positive.
Unbekümmert
Ebenso ist er selbst den Menschen und dem Leben gegenüber positiv gestimmt. Die Aussage «Es war noch nie so schlimm, wie heute!» teilt Markus nicht: «Ich sehe so viele positive Entwicklungen. In meiner Jugend war nicht jedes Gewässer badetauglich. Heute sind die Flüsse und Seen so sauber, dass die Fische kaum mehr Futter finden…» Es sei ihm bewusst, dass er reich beschenkt sei mit einem guten Umfeld, einem spannenden Beruf und guter Gesundheit. «Für all dies bin ich sehr dankbar, frage mich immer wieder, weshalb es mir so gut geht, weshalb ich in diesem schönen Land leben darf…» Auf die Frage, was er fühle, wenn er an die Zukunft denke, antwortetet Markus unmissverständlich: «Ich habe keine Angst vor Dingen, die noch nicht da sind und die ich nicht beeinflussen kann. Ich fühle mich beschützt und bin sehr zuversichtlich, was das Weltgeschehen angeht.»
Mehr über Markus Graf
Meer oder Berge?
Sommer wie Winter bin ich gern in den Bergen. Wenn man sich nach einer Tour abkühlen kann – wunderbar! Egal ob See oder Meer.
Käse oder Fleisch?
Ich liebe Käse. Am besten solchen, der nicht nur so aussieht, sondern auch danach riecht.
Altbekanntes oder Neues?
Ich mag Abwechslung und Neues – ausser beim Fussball, da bin ich seit meiner Kindheit Fan des FC St.Gallen.
Glas eher halbvoll oder halbleer?
Da ich ein positiver Mensch bin, ist bei mir das Glas halbvoll, besonders wenn etwas Gutes drin ist.
Heimlich altern oder riesige Geburtstagsparty?
Meinen Geburtstag feiere ich jedes Jahr. Es wäre doch schade, wenn sich meine Freunde erst an meiner Beerdigung träfen.