Jerusalem als Hauptstadt anerkannt
Die Meinungen gehen weit auseinander. Ein beachtlicher Teil der Welt ist empört. Die islamische Welt sei dadurch in Aufruhr gebracht, wird der US-Präsident kritisiert. Als ob sie das nicht längst wäre. Der IS. Die Nachwehen des Arabischen Frühlings. Die saudischen Bombardements im Jemen. Die schiitischen Vernichtungsfantasien gegenüber den Sunniten. Dies, um nur einige der zahlreichen Brennpunkte zu nennen, die im nigerianischen «Middle Belt» und im sudanesischen Darfur beginnen und mit den islamischen Abspaltungsgelüsten des philippinischen Landesteils Mindanao und weiteren Gegenden aufhören.
Fragwürdige Kritik
Zu den illustresten Kritikern gehört Erdogan, der türkische Präsident, der kürzlich 50 christliche Stätten beschlagnahmen liess. Er befürchtet religiöse Unruhen. Wer würde diese denn auslösen? Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagt, eine Verlegung der US-Botschaft sei «rechtswidrig». Gegen welches Recht denn? Gegen türkisches Recht? Und seit wann verfügt Ankara über Entscheidungskompetenz in der Frage nach Israels Hauptstadt?
Gegen die Anerkennung – so ein tragendes Argument – spreche, dass die Lage von Ost-Jerusalem nicht geklärt sei und Jerusalem unter UNO-Verwaltung gehöre. Und dass der Friedensprozess dadurch gebremst werde.
Die Vorgeschichte
2017 erfolgten gleich mehrere Jahrestage, die mit dem Nahostkonflikt einhergehen. So etwa 1897. Theodor Herzl forderte vor 120 Jahren auf dem Zionistenkongress eine sichere Heimstätte für Juden in Palästina – dies nach Jahrhunderten der Judenverfolgung in Europa. Die Rede war nicht von einem Staat, sondern einer Heimat in der Wiege des Judentums.
Zwanzig Jahre später (1917) wurde mit der Balfour-Deklaration eine nationale Heimstätte des jüdischen Volkes in Palästina errichtet. Wieder zwanzig Jahre später (1937) wurde in der Peel-Kommission vorgesehen, dass das zu dieser Zeit britische Mandatsgebiet in einen arabischen und einen jüdischen Staat geteilt wird. Die Juden stimmten zu, die Araber waren dagegen; sie hofften, nach dem Zweiten Weltkrieg würde ihnen das ganze Land gehören.
«Israel von der Landkarte fegen»
Zwei Jahre nach dem Weltkrieg (1947) wurde eine nahezu identische Teilung vorgesehen. Wieder sprach sich die Palästinenserführung dagegen aus. Als dann Ben Gurion ein Jahr später die Unabhängigkeit ausrief, erklärten noch in der Gründungsnacht sechs arabische Staaten Israel den Krieg: Ägypten, Irak, Jordanien, Libanon, Saudi-Arabien und Syrien. Israel überlebte.
Nach einem weiteren überstandenen Angriff 1956 blieb es elf Jahre ruhig. Bis anno 1967. Am 16. Mai forderte der ägyptische Staatspräsident Gamal Abdel Nasser die UN-Truppen auf, das Grenzgebiet zu Israel zu verlassen. Die UNO, die den
Frieden sichern sollte, zog ab (!). Syrien brachte sich am 18. Mai auf den Golanhöhen in Stellung. Gaza gehörte zu diesem Zeitpunkt zu Ägypten, Ost-Jerusalem zu Jordanien, die Golanhöhen zu Syrien.
Iraks Präsident Abdur Rahman Aref kriegsdurstig: «Die Existenz Israels ist ein Fehler, der korrigiert werden muss. Dies ist die Gelegenheit, die Schmach auszulöschen, die man uns seit 1948 angetan hat. Unser Ziel ist klar: Israel von der Landkarte wegzufegen.» Israel kam dem geplanten Völkermord zuvor und gewann dabei etliche Gebiete, darunter Ost-Jerusalem (erst seit diesem Zeitpunkt haben alle Religionen wieder Zugang zu ihren Heiligtümern).
Mehrere arabische «Nein!»
Obschon Israel auf Aggressoren reagierte, welche mit der Vernichtung drohten, wird heute – deutsche Medien (eher) ausgenommen – mit hartnäckiger Faktenresistenz in westeuropäischen Publikationen der Judenstaat als schuldig für die verfahrene Lage dargestellt.
Dabei geht gar vergessen, dass 2001 wie auch 2007 Israel den Palästinensern 97 Prozent der als «besetzte Gebiete» bezeichneten Gegenden sowie Ost-Jerusalem anbot – dazu die Rückkehr von Millionen von Flüchtlingen. Die Antwort war stets: «Nein!» Die Palästinenserführung will alles – und tut seinem eigenen Volk keinen sonderlichen Gefallen.
67 Jahre zu spät – und dennoch als Erster
1950 erklärte Israel Jerusalem zu seiner Hauptstadt – so wie es einst in der Geschichte bereits der Fall war. Ansonsten war Jerusalem nie Hauptstadt einer anderen Nation. Bis heute dauert dennoch das Ringen darum, dass dies auch international geschieht. Durch die Anerkennung durch die USA ist nun ein für Israel wichtiger Schritt getan. US-Präsident Trump sprach von einem überfälligen Schritt, der Umzug der Botschaft aus Tel Aviv nach Jerusalem werde nun eingeleitet.
Die Drohungen von islamischer Seite dürften ein Sturm im Wasserglas sein. Für das den Islam prägende Saudi-Arabien dürfte die insgeheime Allianz mit dem Judenstaat gegen den gemeinsamen Überfeind, den schiitischen Iran, viel wichtiger sein als der Standort der israelischen Hauptstadt. Zudem steht das Allerheiligste des Islam im eigenen Land. Jerusalem ist für Riad daher vernachlässigbar. Und Ägypten, das bevölkerungsreichste arabische Land, kennt genügend innenpolitische Baustellen und würde zudem keinen Schritt tun, der nicht von Saudi-Arabien «abgesegnet» wäre.
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Datum: 07.12.2017
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch/Bild/FAZ/Spiegel